Bescheidener Mitentdecker der Selektionstheorie
geboren am 8. Januar 1823
gestorben am 7. November 1913
Wenn je ein Wissenschaftler in seinem Ruhm nicht genügend zu seinem Recht kam, so muss auch Alfred Russel Wallace erwähnt werden. Wallace, der gleichzeitig mit seinem Landsmann Charles Darwin – aber unabhängig von ihm – die Theorie der natürlichen Selektion begründet hat, führte ein ganz anderes Leben als Darwin.
Alfred Russel Wallace wurde 1883 im englischen Usk, im damaligen Monmouthshire (heute Gwent) in Wales, geboren. Er war der achte von neun Kindern (er hatte drei Brüder und fünf Schwestern). Seine Eltern Thomas Vere Wallace und Mary Anne Greenell lebten mit ihrer grossen Familie in bescheidenen Verhältnissen. Bereits mit 14 Jahren – nach Beendigung der Grundschule – musste Wallace die Schule verlassen und arbeiten gehen. Neben seiner Lehre als Vermesser benutzte er jede freie Zeit, um seine Ausbildung selbst weiterzutreiben.
Schliesslich reiste er auf die Südpazifischen Inseln. Im Malayischen Archipel und dem Amazonas arbeitete Wallace als Sammler wertvoller exotischer Gegenstände, die er an Europäer verkaufte. Wallace sammelte so viel und aus so vielen Gegenden, dass er sich eine reiche Artenkenntnis aneignete. Er verfasste eine Arbeit „On the Tendency of Varieties to Depart Indefinitely from the Original Type„.
Auch wenn Wallace nicht den Ausdruck „Natürliche Selektion“ (natural selection) verwendete, waren seine Theorien über die Evolution annähernd identisch mit denen, welche Darwin schon lange mit sich herum trug, jedoch noch nicht veröffentlicht hatte. Statt seine Arbeit aber direkt einem Verleger zu senden, präsentierte Wallace sie vorerst Charles Darwin, mit dem er einen Briefwechsel begonnen hatte. Er bat ihn um Durchsicht und Korrektur des Manuskripts.
Als Darwin diese Arbeit sah, realisierte er, dass er den Ruhm seiner langjährigen Arbeit abgeben müsste und so entschloss er sich, seine eigene über 20 Jahre zurückgehaltene Theorie zu veröffentlichen.
Mark Benecke, Fellow der Linnean Society, beschreibt den Ablauf folgendermassen:
Charles Lyell und Joseph Hooker sandten am 30. Juni 1858 drei wissenschaftliche Arbeiten an den Sekretär der Linnean Society; erstens: Charles Darwins „On the variation of organic beings in a state of nature“ von 1839, zweitens ein Brief Darwins an Professor Asa Grey in Boston vom 5. September 1857 und schließlich die Schrift von Alfred Russel Wallace „On the tendency of varieties to depart indefinetly from the original type“. Nachdem die zwei Arbeiten Darwins und eine von Wallace vor der Linnean Society in London verlesen worden waren, wurden die drei Arbeiten der beiden Forscher am 20. August 1858 gemeinsam im Zoologischen Journal der Linnean Society of London veröffentlicht.
Die Arbeit von Wallace stammt ursprünglich vom Februar 1858. Wallace hatte sie Darwin zur Korrektur übersandt. Erst jetzt entschloss sich auch Darwin dazu, seine über Jahrzehnte gesammelten Tatsachen zur Evolutionstheorie zu veröffentlichen. Durch die gewählte Reihenfolge der Verlesung in der Linnean Society am 1. Juli 1858 wurde Darwin unstreitig zum Begründer des Evolutionsgedankens. Darwin und Wallace nahmen in ihren Büchern jeweils freundlich Bezug aufeinander, zitierten sich oft und brachen keinen Vorrechtsstreit vom Zaun. Wallace nannte die Evolutionstheorie, die er selbst unabhängig von Darwin (als zweiter) entwickelt hatte, stets „Darwinismus“.
Eine genaue Dokumentation darüber findet sich auf der Homepage der Linnean Society. Da kommt wahrlich ein grossartiger Charakterzug von Wallace zum Vorschein! Er verspürte keine Ressentiments gegenüber Darwin, dass ihm sowenig Ehre zuteil wurde. Er war glücklich über seinen Ruhm, den er wegen seiner Reisebeschreibungen und seiner wertvollen Sammlungen erntete (die übrigens die von Darwin bei weitem übertrafen). Auch wurden seine biogeografischen Arbeiten breit anerkannt und geschätzt.
Bis zu seinem Lebensende unterhielten Wallace und Darwin eine gute Beziehung und hatten einen regen Briefwechsel. Wallace wurde sogar zum eifrigen Verfechter und Kommentator des „Darwinismus“. In hohem Alter äusserte er noch, dass sein grösstes Verdienst war, Darwin zur Publikation seiner Theorie gebracht zu haben.
Wallace starb am 7. November 1913 in Broadstone, Dorsetshire.
Eine Auswahl seiner Werke
– On the Tendency of Varieties to Depart Indefinitely From the Original Type (1858)
– Malay Archipelago (1869)
– Contributions to the Theory of Natural Selection (1870)
– The Geographical Distribution of Animals (1876)
– Man’s Place in the Universe (1903)
– The World of Life (1909)