Evolutionsbiologe
Ernst Mayr wurde 1904 in Kempten im Allgäu geboren, wechselte aber später nach Sachsen über. Als Halbwüchsiger bereits entwickelte er seine Passion für Vögel und verbrachte die freien Tage beobachtend in der Umgebung von Dresden. Hierbei begegnete er erstmals dem berühmten Berliner Ornithologen Erwin Stresemann, der sein Mentor wurde.
1923 entstand seine erste Veröffentlichung aus der Beobachtung der Kolbenente bei Moritzburg. Im gleichen Jahr begann er an der Universität Greifswald sein Medizin-Studium, wechselte aber nach dem Physikum ans Zoologische Museum in Berlin. Mayr promovierte 1926 und arbeitete fortan als Assistent.
Durch Vermittlung von Stresemann ergab sich für Mayr die Gelegenheit, 1928 und 1930 für den vermögenden Vogelsammler Lord Rothschild an einer Sammel-Expedition nach Neuguinea und auf die Solomon-Inseln teilzunehmen. Die dort gewonnenen Kenntnisse zur Biogeographie der Region wurde zur Grundlage seiner theoretischen Überlegungen. Stresemann begleitete Mayr mit guten Ratschlägen. In einem Brief schrieb er: „Also mein liebes Schlaumayrchen, halten Sie die Ohren steif, vergessen Sie nicht, Chinin zu nehmen, das Pulver trocken zu halten und die Vögel zu lieben, wie es Ihnen im 5. oder 6. Gebot befohlen wird.“
1931 folgte Mayr einem Ruf ans American Museum in New York, dem grössten naturwissenschaftlichen Museum der Welt. Ernst Mayr blieb in den Vereinigten Staaten.
Bekannt geworden ist Ernst Mayr als einer der so genannten Architekten der „Synthetischen Theorie der Evolution„, jenem Gedankengebäude, das in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts Darwins Konzept der Natürlichen Auslese mit den Befunden der Genetik in Einklang brachte. Mayrs grundlegende Arbeiten zur Systematik, insbesondere zum Konzept der Art und der Artbildung, sowie seine philosophischen Ausführungen zur Typologie und zum Essentialismus haben Generationen von Biologen geprägt. Dank seiner Fähigkeit, aus einer beinahe unübersehbaren Fülle von Einzelbeispielen die prägnantesten zu wählen und in eine kohärente Synthese zu schmieden, ist er zweifelsohne der einflussreichste Evolutionstheoretiker des 20. Jahrhunderts. Kaum ein anderer seit Charles Darwin hat so unermüdlich an unserem Verständnis von Evolution gearbeitet, Fragen über Ursprung und Vielfalt lebender Organismen gestellt und in ebenso geschliffener wie wissenschaftlich kompromissloser Weise die Rolle zu klären versucht, die insbesondere die Evolutionsbiologie für unsere Vorstellung der lebendigen Welt hat.
Einer von Mayrs wesentlichen Beiträgen ist das Konzept der „Biologischen Art“. Es besagt, dass Arten nicht morphologisch von einander getrennt sind, sondern durch Barrieren in der Fortpflanzung. Dazu veröffentlichte Mayr im Jahre 1942 sein einflussreiches Buch „Systematics and the Origin of Species.“
20 Jahre blieb Ernst Mayr in New York. Erst 1953 wechselte er an das Museum for Comparativ Zoology an der Harvard University. In den 60iger Jahren began Mayr mit seinen Veröffentlichungen zur Philosophie und Geschichte der Biologie. 1975 erlangte er seine Emeritierung, ohne jedoch mit der Arbeit aufzuhören. Diese führte auch zur Veröffentlichung seines bislang letzten Werkes: „This is Biology“ (Deutsche Ausgabe: Ernst Mayr: Das ist Biologie. Spektrum Akademischer Verlag, 1998).
Hierin begründet er seine Ablehnung gegenüber einem Reduktionismus, der das Leben vollständig als chemisch-physikalische Prozesse erklären, also darauf reduzieren will. Auf der molekularen Ebene stimme diese Annahme zwar noch, aber auf höheren Ebenen würden sie durch neue Systemeigenschaften ergänzt und reichten nicht mehr aus, das Gesamtsystem zu erklären.
Ernst Mayr starb 101-jährig nach sehr kurzer Krankheit in Bedford (Massachusetts).