Francesco Redi (1626 – 1698)

Lebendiges kann nur von Lebendigem stammen!

Geboren aredim 18. Februar 1626 in Arezzo
gestorben am 1. März 1698 in Pisa

Francesco Redi gilt als der Vater der modernen experimentellen Biologie. Seine Widerlegung der offiziellen Lehre von der Urzeugung der Insekten machte Epoche. Es kann bedeutsam erscheinen , dass seine Entdeckung auf der einen Seite die heutige Biotechnik erst möglich macht, dass sie aber eine ganz andere Bedeutung hat, als man heute zugeben kann. Redis Entdeckung wurde eigentlich bisher noch nicht wirklich verstanden. Denn sie besagt im Kern: Lebendiges kann nur von Lebendigem stammen! Eben dies aber wird von der Biotechnologie prinzipiell nicht anerkannt. Für viele gegenwärtige Biologen ist nach wie vor das Leben eine im Grunde zufällige Funktionalität der leblosen Stoffe, die im Reagenzglas gefunden werden, nachdem das Lebewesen getötet wurde. Diese fortgeschleppte mittelalterliche Auffassung hat weitreichende Konsequenzen, deren wir uns erst nach und nach bewusst werden.

Francesco Redi verfasste keine systematischen Werke, obwohl er sich für vielfältige Fragen der Zoologie, Botanik, Chemie, Embryologie und Toxikologie heftig interessierte. Seine erstes Werk, Osservationes intorno al vipere (Beobachtungen an Vipern) war eine Studie über die Giftigkeit und den Ursprung des Schlangengiftes sowie über die Art, wie dieses beim Biss injiziert wird – eine im Florenz der Medicis durchaus ans Praktische anknüpfende Frage.

Thema: „Urzeugung“

Redis 1668 veröffentlichtes Meisterstück ist die Schrift: „Esperienze intorno alla generazione degl’insetti“ (Experimente über den Ursprung von Insekten), ein Meilenstein in der Geschichte der modernen Wissenschaft. Redi entlarvte die jahrtausendealte Theorie über die Urzeugung der Insekten durch ein epochemachendes Experiment als falsch, und führte zugleich eine völlig neue Methode der Forschung in die Wissenschaft ein.

Diese Methode, bis heute die Grundlage der experimentellen Biologie, besteht darin, dasselbe Experiment auf verschiedene Weise durchzuführen, indem jeweils nur ein „Parameter“, eine Bedingung, geändert wird, und zugleich passende Tests durchgeführt werden. Redi legte rohes Fleisch in mehrere Probierschalen und liess es verwesen. Das Ergebnis war unzweideutig: Nur in den ersten vier Schalen, in denen Fliegen ihre Eier gelegt hatten, entstanden Maden, die später zu Fliegen wurden. Das Fleisch in den versiegelten Probierschalen hingegen verweste, aber es entstanden keine lebenden Organismen. Darüber hinaus führte Redi eine geniale Variation in sein Experiment ein, um auszuschliessen, dass der Lebenszyklus der Maden durch die Versiegelung der Schalen unterbrochen worden sein könnte. Er wiederholte das Experiment, versiegelte die Schalen aber nicht luftdicht, sondern mit einem feinen Filter. Dieses ‚experimentum crucis‘ widerlegte, wie man sagt, „für alle Zeiten die These von der Urzeugung“ der Insekten. Wir werden sehen, inwieweit Redi die Vorurteile vermeintlicher Wissenschaft wirklich beseitigen konnte.

1684 schloss er seine wissenschaftliche Arbeit mit einer Abhandlung über Parasitologie und vergleichende Anatomie ab, die den Titel trägt: „Osservazioni intorno agli animali viventi che si trovano negli animali viventi“ (Beobachtungen über lebende Tiere, die in lebenden Tieren gefunden werden).

Redis wissenschaftliche Leistung

Redis wissenschaftliche Leistung liegt aber im Grunde nicht in seiner Experimentiertechnik. Vielmehr besteht sie darin, dass er die Macht der herrschenden Lehre innerlich gebrochen hat. In ihm wirkte ein Gedanke, der ihn erst zu den Überlegungen hinführte, die dann sein Experiment begründeten und ordneten.

Zur Biographie Redis (Quelle: IMSS Florenz / Encyclopaedia Catholica)

Der älteste der neun Söhne von Gregorio Redi und Cecilia de‘ Ghinci wurde in Arezzo am 18. Februar 1626 geboren. Sein Vater, ein bekannter Arzt, kam 1642 nach Florenz und wurde der Leibarzt des Grossherzogs von Toskana. Francesco studierte in Florenz an der Jesuitenschule. Die Jesuiten hatten bereits damals die Bildungsanstalten in einer Weise eingerichtet, die dafür Sorge tragen sollte, dem im Sinne der Entwicklung liegenden Faust-Impuls durch die Betonung des sinnlichen Elements dem Bewusstseins den gedanklichen Untergrund zu entziehen. Redi erwarb seinen akademischen Grad in Medizin in Pisa 1647. Nachdem er Rom, Neapel, Bologna, Padua und Venedig bereist hatte, begann er mit der Ausübung des Arztberufes, während er noch bis 1972 in seines Vaters Haus lebte, bis Gregorio Redi nach Arezzo zurückkehrte und Francesco allein in Florenz blieb. Zwischen 1657 und 1667 war er Mitglied der Accademia del Cimento (Academie des Experiments), wo er sozusagen das Erbe Galileis antrat. 1666 ernannte ihn der Grossherzog Ferdinando II zu seinem Leibarzt und zum Direktor der grossherzoglichen „Spezieria“ (Apotheke). In diesen Positionen wurde er von Cosimo III 1670 bestätigt, als dieser Grossherzog wurde. So verbrachte Redi die meiste Zeit seines Lebens am Hofe der Medici und ist, nach Galilei, ein erstaunliches Beispiel für die Vereinigung des Wissenschaftlers mit dem Höfling.

Redi war stets mit Experimenten befasst, um die medizinische und chirurgische Praxis zu verbessern. Dennoch fand er noch Musse für viele literarische Arbeiten. Er war aktives Mitglied auch in der legendären Crusca, wo er bei der Vorbereitung des wichtigen toskanischen Wörterbuchs half. Er lehrte 1666 im Studio zu Florenz, als „lettore publico di lingua toscana“ und war einer der ersten Mitglieder der Arcadia. Seine literarischen Schriften sind u.a. seine „Briefe“, die Dithyramben „Bacco in Toscana“ und „Arianna Inferma“, neben einer Anzahl von Gedichten, von denen einige Petrarca nachempfunden sind, andere in ihrem Ton eher burlesk. Unveröffentlicht blieb sein „Vocabolario Aretino“. „Bacco in Toscana“ ist das beste Beispiel italienischer Dithyramben, und gilt als eines der besten literarischen Werke des siebzehnten Jahrhunderts.

Redi verbrachte nur wenige Jahre in Arezzo, aber er blieb immer seiner Familie und seiner Heimat verbunden. Lange war es seine Sehnsucht, sich nach Arezzo zurückzuziehen, aber am 1. März 1697 starb er in Pisa, wohin er den grossherzoglichen Hof jedes Jahr begleitete. Sein Leichnam wurde nach Arezzo gebracht, und in der Kirche von San Fancesco beigesetzt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden seine Gebeine in die Kathedrale verlegt. Von seinem Grab blieb nur eine Büste an der rechten Mauer derselben übrig.

Die Frage nach dem Ursprung des Lebendigen

Francesco Redi hatte in der Jesuitenschule die Antworten auf die grossen Fragen des Daseins schon einmal im Voraus gelernt. Wie das Schulen überhaupt so machen. Er hatte gelernt, dass es die Frage gibt, woher das Lebendige stamme. Und er hat die Antwort gleich dazu gelernt. Dass nämlich die Lebewesen aus der toten Materie gemacht werden. Die Lehrer und Oberlehrer dachten sich jemanden tätig, der fortwährend das Tote lebendig macht. Dieser Macher des Lebens wurde damals ‚Gott‘ genannt. Die damaligen Wissenschaftler erteilten ‚Gott‘ sozusagen den Auftrag, ihr Denkproblem – Woher kommt das Leben? – zu lösen. Sie setzten als allein mögliche Lösung vorher fest, dass Gott den toten Schlamm stets neu lebendig zu machen, ihn zum Wurm, zur Fliege zu formen habe. Für diese Wissenschaftler und Lehrer des Francesco Redi war dieses Ansinnen so selbstverständlich, dass sie niemals auf den Gedanken kamen, einmal durch Beobachtung und Experiment zu überprüfen, ob Gott ihrem Auftrag auch nachkommt. Denn was sie dachten, was sie forschten, das war in den massgeblichen Büchern bereits vorweg festgelegt. Die heilige Schrift und die Schriften des Aristoteles galten als die in Zweifelsfragen entscheidenden Lehrbücher der Naturwissenschaft. Diese Wissenschaftler bemerkten gar nicht, dass sie selbst es waren, die durch ihr Denken diesen Büchern die Macht verliehen, zu bestimmen, was in der Natur allein vorgehen konnte und durfte. Das war der Trick dabei. Wer glaubt schon dem, was er selbst gedacht hat? Der Denk-Trick ist: Ich gebe vor, meine ausgedachte Lösung stünde in einem Buch. Und jeder kann sie nachlesen. Es stimmt einfach. Da steht’s! Genau das hat schon der und der gesagt. Sogar Gott sagt es. Wer will da noch widersprechen?

So war es damals herrschende Lehre, dass die Fliegen und Würmer aus Schlamm durch Urzeugung entstehen. Mit dem Wort ‚Urzeugung‘ meinte man die stete Wiederholung der Schöpfungstat, mit der man Gott beauftragt hatte. So, wie man die Bibel glaubte verstanden zu haben. Nämlich so, wie es mit den eigenen Vorstellungen zusammenpasste. Redi war da anders. Er war ein gottesfürchtiger Mann. Ihm war es nicht selbstverständlich, Gott oder irgendwem einfach vorzuschreiben, was er zu tun und zu lassen hatte. Also machte er ein Experiment. Er hielt einfach alle bereits lebenden Fliegen davon ab, ihre Eier in einen vorher von der Umwelt isolierten Schlamm abzulegen. Erstaunlich: Es entstanden nun keine Fliegen aus dem Schlamm! Bei den Würmern war es ebenso. Gott dachte anscheinend gar nicht daran, den Auftrag der Denker auszuführen. Und dieses Experiment konnte tatsächlich überall und von jedem wiederholt werden. Und jedesmal ergab sich bei genauer Durchführung dasselbe Ergebnis: Von Urzeugung kann bei der Entstehung der Würmer und Fliegen nicht die Rede sein. Die herrschende Lehre war widerlegt. Jedenfalls in bezug auf die Fliegen und Würmer.

Text gekürzt und leicht verändert übernommen von http://www.erdmannhauser.de/saat/saat_redi.html