J. W. Goethe (1749 – 1832)

goethe_1830_Universalgelehrter und Vater der Metamorphoselehre

Johann Wolfgang Goethe kommt am 28. August 1749 in Frankfurt zur Welt. Er ist das erste Kind der Eltern Johann Casper und Catharina Elisabeth Goethe.

Durch seinen Vater erhält er eine weltmännische Ausbildung. Er lernt er Klavierspielen, Reiten und Fechten. Von Privatlehrern wird er in Latein, Italienisch, Englisch, Hebräisch und in Mathematik unterrichtet. Als 16 jähriger beginnt er ein Jurastudium in Leipzig. Doch statt mit dem Studium der Gesetze beschäftigt er sich mehr mit den „schönen Wissenschaften“.

Nach dem Abschluss seines Studiums im Jahre 1772 wird Goethe Rechtsanwalt in Frankfurt. Doch er widmet sich vor allem der dichterischen Arbeit: Es entsteht das Drama „Götz von Berlichingen“. Mit diesem Werk wird er zum Mitbegründer des „Sturm und Drang“ in Deutschland.

1774 erscheint der Roman „Die Leiden des jungen Werther“ in dem er sich sein eigenes Liebesleiden von der Seele schreibt. Der Roman wird ein solcher Erfolg, dass Goethe von nun an zu den bekanntesten Autoren in Deutschland zählt.

Auf Einladung des Erbprinzen Carl August reist Goethe 1776 nach Weimar, wo er in den Staatsdienst eintritt und als geheimer Legationsrat arbeitet. Am Hof von Herzogin Anna Amalia lernt er die Hofdame Charlotte von Stein kennen. Charlotte von Stein hat grossen Einfluss auf Goethe, in ihrer Gegenwart lernt er sich zu mässigen. Zehn Jahre lang verbindet die beiden eine innige Beziehung. Dies kommt vor allem in den über 1700 Briefen an seine „Seelenfreundin“ zum Ausdruck. Im Jahre 1779 wird Goethe Geheimrat und übernimmt die Leitung verschiedener Kommisionen.

Als Anerkennung seiner Verdienste im Staatsdienst erhält er 1782 das Adelsdiplom, ausserdem schenkt der Herzog ihm das Haus am Frauenplan, wo Goethe bis zu seinem Tod lebt. In diesen Jahren beginnt Goethe sich intensiv mit der Naturwissenschaft zu beschäftigen. Bei seinen morphologisch-anatomischen Studien entdeckt Goethe 1784 den Zwischenkieferknochen am menschlichen Schädel, eine Entdeckung, welche die enge Verwandtschaft des Menschen mit den Tieren dokumentiert.

Auf seiner Italienreise (1786-88) betreibt Goethe mannigfaltige naturwissenschaftliche Studien an Gesteinen und Pflanzen. Nach seiner Rückkehr 1790 publiziert Goethe „Die Metamorphose der Pflanze“.

Als Goethe 1788 von seiner Italienreise zurückkehrt lernt er das einfache Mädchen Christiane Vulpius kennen. Er bricht seine Verbindung mit Charlotte von Stein und beginnt eine Lebensgemeinschaft mit Christiane Vulpius. Beruflich konzentriert er sich auf die künstlerischen und wissenschaftlichen Anstalten in Weimar und Jena und übernimmt mehr und mehr kulturelle Aufgaben. So wird das „Hoftheater“, dessen Generalintendant er seit 1792 ist, unter seiner Leitung zur angesehensten deutschsprachigen Bühne. Weil die Gestaltung des Programms modern und abwechslungsreich ist, spricht Goethe damit ein grosses Publikum an.

Ab 1795 arbeiten Goethe und Schiller eng zusammen. Diese Schaffensperiode von 10 Jahren wurde später als „Weimarer Klassik“ bezeichnet. In dieser Dekade entstehen bedeutende Werke, wie die Balladen der „Zauberlehrling“ und der „Schatzgräber“ sowie das Stück „Herman und Dorothea“. Als Schiller 1805 stirbt, geht damit auch die Zeit der Klassik zu Ende. Im darauffolgenden Jahr heiratet Goethe Christiane Vulpius, nachdem er 18 Jahre lang mit ihr liiert war und sie bereits mehrere gemeinsame Kinder hatten.

Durch das Prisma eines Freundes bemerkt Goethe die bunten Farbverläufe. Von seinen Beobachtungen fasziniert, führt er weitere Versuche durch und erstellt einen Farbkreis. Bei seinen Versuchen entdeckt er Schwächen in Newtons Lehre. Er empfindet, dass Newtons Beschreibung des Lichts falsch sei. Beim Erscheinen seiner „Farbenlehre“ im Jahre 1810 sind die Reaktionen der Wissenschaftler gering. Da seine Farbstudien Goethe sehr am Herzen lag, ist Goethe über die fehlenden Reaktionen tief enttäuscht.

Mit der Niederlage Napoleons bei Waterloo wird Sachsen-Weimar-Eisennach zum Grossherzogstum. Damit erhält Goethe die Leitung über sämtliche Kultusinstitute des Herzogstums und wird Staatsminister. Nach 23 Jahren erscheint 1831 der zweite Teil des Dramas „Faust“. Es ist das letzte Werk, das Goethe beendet .

Goethe stirbt am 22. März 1832 nach einer kurzen Erkrankung in Weimar. Seine sterbliche Überreste wurden am 26. März in der Fürstengruft beigesetzt.

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In seinen letzten beiden Jahren (1830 und 1832) verfasst Goethe eine Abhandlung über den berühmten Streit, der in der Französischen Akademie anlässlich eines Vortrags von Geoffroy de St. Hilaire ausgebrochen war. Diese letzte Schrift Goethes hatte für ihn eine zentrale Bedeutung, was die folgende Anekdote zeigen mag: Frédéric Soret besucht Goethe am 2. August 1830, als gerade die Nachrichten über die Juli-Revolution nach Weimar gelangen. „Nun? rief er mir entgegen, was denken Sie von dieser grossen Begebenheit? Der Vulkan ist zum Ausbruch gekommen; alles steht in Flammen, und es ist nicht ferner eine Verhandlung bei geschlossenen Türen!“ Dabei spricht Goethe wohlgemerkt nicht etwa von der Juli-Revolution. Goethe hat die Verhandlungen in der Académie in Paris als Markstein in der Geschichte der Ideen erlebt, wobei er Geoffroy de St. Hilaire als Verbündeten gegen die starren Ideen von Georges Cuvier und zugunsten von Plastizität, Metamorphose empfindet.

Schon mit seiner Arbeit über die Metamorphose der Pflanze (1790) hat Goethe den Grundgedanken der Evolutionslehre aufgegriffen und organische Plastizität im Pflanzenreich nachgewiesen. Goethe zeigt in dieser Abhandlung, dass die verschiedenen Glieder der Blüte als Metamorphosen des Blattorgans aufgefasst werden können.

Etwas Ähnliches hat Goethe mit seiner Wirbeltheorie (1824) erreicht, in der er versucht zu zeigen, dass der Schädel von Wirbeltieren aus Wirbelmetamorphosen bestehe. Diese Theorie wird noch heute unter dem Namen Goethe-Onkensche Wirbeltheorie diskutiert.

Dezidiert nimmt Goethe für die Evolutionslehre und die evolutive Verwandtschaft aller Lebewesen Partei bei seinen Nachforschungen über den Zwischenkieferknochen (1784). Die beiden Zwischenkieferknochen tragen bei den Säugetieren die vier oberen Schneidezähne. Anatomen aus Goethes Zeit und vorher glaubten im Fehlen der paarigen Zwischenkieferknochen den wichtigsten Unterschied zwischen Tier und Mensch belegen zu können. Mit dem Nachweis des Os incisivi beim Menschen belegt Goethe klar die Verwandtschaft des Menschen mit den Säugetieren und stellt den Menschen so nicht neben sondern in die Reihe der Organismen.

Metamorphose der Tiere (1795)


Zweck sein selbst ist jegliches Tier, vollkommen entspringt es
Aus dem Schoss der Natur und zeugt vollkommene Kinder.
Alle Glieder bilden sich aus nach ewgen Gesetzen,
Und die seltenste Form bewahrt im Geheimen das Urbild.
So ist jeglicher Mund geschickt, die Speise zu fassen,
Welche dem Körper gebührt, es sei nun schwächlich und zahnlos
Oder mächtig der Kiefer gezähnt, in jeglichem Falle
Fördert ein schicklich Organ den übrigen Gliedern die Nahrung.
Auch bewegt sich jeglicher Fuss, der lange, der kurze,
Ganz harmonisch zum Sinne des Tiers und seinem Bedürfnis.
So ist jedem der Kinder die volle, reine Gesundheit
Von der Mutter bestimmt: denn alle lebendigen Glieder
Widersprechen sich nie und wirken alle zum Leben.
Also bestimmt die Gestalt die Lebensweise des Tieres,
Und die Weise zu leben, sie wirkt auf alle Gestalten
Mächtig zurück. So zeigt sich fest die geordnete Bildung,
Welche zum Wechsel sich neigt durch äusserlich wirkende Wesen.
Doch im Innern befindet die Kraft der edlern Geschöpfe
Sich im heiligen Kreise lebendiger Bildung beschlossen.
Diese Grenzen erweitert kein Gott, es ehrt die Natur sie:
Denn nur also beschränkt war je das Vollkommene möglich.

Zwei weitere Texte von Goethe

Eine innere ursprüngliche Gemeinschaft liegt aller Organisation zugrunde; die Verschiedenheit der Gestalten dagegen entspringt aus den notwendigen Beziehungsverhältnissen zur Aussenwelt, und man darf daher eine ursprüngliche, gleichzeitige Verschiedenheit und eine unaufhaltsam fortschreitende Umbildung mit Recht annehmen, um die ebenso konstanten als abweichenden Erscheinungen begreifen zu können.
Dies also hätten wir gewonnen, ungescheut behaupten zu dürfen: dass alle vollkommnern organischen Naturen, worunter wir Fische, Amphibien, Vögel, Säugetiere und an der Spitze der letzten den Menschen sehen, alle nach einem Urbilde geformt seien, das nur in seinen sehr beständigen Teilen mehr oder weniger hin- und herweicht, und sich noch täglich durch Fortpflanzung aus- und umbildet.

 

Das Werk

Sturm und Drang

Lyrik
Götz von Berlichingen (1771/73)
Clavigo (1774)
Die Leiden des jungen Werthers (1774/87)
Urfaust (um 1774)
Stella (1776)
Wilhelm Meisters theatralische Sendung (1777/1911)
Weimarer Klassik
Iphigenie auf Tauris (1779/87)
Egmont (1774/88)
Torquato Tasso (1780/90)
Über den Zwischenkiefer (1784/1831)
Faust, ein Fragment (1788/90)
Die Metamorphose der Pflanzen (1790)
Reineke Fuchs (1794)
Römische Elegien (1795)
Venetianische Epigramme (1795)
Wilhelm Meisters Lehrjahre (1795/96)
Hermann und Dorothea (1797)
Balladen (1797)
Faust. Der Tragödie erster Teil (1797/1806)
Die natürliche Tochter (1804)
Achilleis (1808)
Die Wahlverwandtschaften (1809)
Zur Farbenlehre (1810)
Pandora (1810)

Das Alterswerk

Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit (1813/33)
Sonette (1815)
Des Epimenides Erwachen (1815)
West-östlicher Divan (1819)
Wilhelm Meisters Wanderjahre (1821/1829)
Die Campagne in Frankreich (1822)
Trilogie der Leidenschaft (1823/1829)
Dornburger Lieder (1828)
Italienische Reise (1829)
Über die Spiraltendenz der Vegetation (1829/31)
Faust. Der Tragödie zweiter Teil (1831/33)