Humberto R. Maturana (*1928)

maturanaChilenischer Neurowisenschaftler und Theoretiker der lebenden Systeme

Humberto R. Maturana, 1928 in Chile geboren, studierte Medizin an der Universität von Santiago de Chile, von 1954 bis 1956 Biologie an der Londoner Universität und promovierte 1958 in Biologie an der Harvard University, arbeitete dann bis 1960 am Massachusetts Institute of Technology.

1960 kehrte er an die Universität von Santiago zurück, wo er Spezialist auf dem Gebiet der Gehirnwissenschaft, insbesondere für das Verständnis der Farbenwahrnehmung, wurde. Er beschäftigte sich in den 60er Jahren auch ganz allgemein mit der Frage: „Was ist Leben?“ „Welche Eigenschaften muss ein System besitzen, damit man es als wahrhaft lebend bezeichnen kann?“ „Können wir klar zwischen lebenden und nichtlebenden Systemen unterscheiden?“

Er schaffte es, zwei Traditionen des Systemdenkens zu vereinen, indem er erkannte, dass die Verbindung im Verständnis der „Organisation des Lebendigen“ liegt: 1) Die organismische Biologie, die das Wesen der biologischen Formen untersucht. 2) Die Kybernetik, die das Wesen des Geistes zu verstehen versucht. Er setzte in Folge die Kognition mit dem Prozess des Lebens gleich, veröffentlichte seine Ideen 1970 und es begann die Zusammenarbeit mit Francisco Varela, einem jüngerem Gehirnwissenschaftler. Die beiden entwickelten den Begriff Autopoiese und veröffentlichten 2 Jahre später ihre erste Beschreibung dieses Begriffes.

In ihrem Aufsatz gehen sie davon aus, dass die Autopoiese ein allgemeines Organisationsmuster ist, das allen lebenden Systemen gemeinsam ist, wie auch immer ihre Bestandteile beschaffen sein mögen. Sie betonen, dass die Organisation des Systems unabhängig von den Eigenschaften seiner Bestandteile ist, sodass sich eine bestimmte Organisation auf viele verschiedene Weisen durch viele verschiedene Arten von Bestandteilen verkörpern kann. Nach Maturana und Varela ist der Begriff der Autopoiese notwendig und ausreichend, um die Organisation lebender Systeme zu charakterisieren.

Maturana entwickelte in den 60er Jahren den neuen Begriff des Geistes: der Geist ist kein Ding, sondern ein Prozess – der eigentliche Prozess des Lebens. 1969 präsentierte er diesen Grundgedanken auf einer Konferenz über Kognition in Chicago. Zusammen mit Varela entwickelte Maturana eine Systemtheorie der Kognition, die auch Santiago-Theorie genannt wird. In dieser Theorie wird die Kognition, der Erkenntnisprozess mit dem Prozess des Lebens gleichgesetzt. Maturana über Sprache und Kommunikation: Kommunikation ist nach Maturana nicht eine Übermittelung von Information, sondern vielmehr eine Verhaltenskoordination zwischen lebenden Organismen durch wechselseitige, strukturelle Koppelung. Nach Maturana können wir das menschliche Bewusstsein nur durch die Sprache sowie durch den gesamten sozialen Kontakt verstehen, in den diese eingebettet ist.

Werke

Liebe und Spiel : Die vergessenen Grundlagen des Menschseins, (Humberto R. Maturana, Gerda Verden-Zöller)
Biology of Cognition (1970)
Autopoiesis and Cognition (Humberto R. Maturana, Francisco J. Varela) (1980)
Erkennen : Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit, (1982)
Der Baum der Erkenntnis : Die biologischen Wurzeln des menschlichen Erkennens,
El árbol del concocimiento, (Humberto R. Maturana, Francisco J. Varela) (1984)
Zur Biologie der Kognition : Ein Gespräch mit Humberto R. Maturana und Beiträge zur Diskussion seines Werkes, (Humberto R. Maturana, Volker Riegas, Christian Vetter) (1990)
Was ist erkennen ? (1994)

Definitionen von Humberto R. Maturana

Autopoiese

(nach dem griechischen autos und poiein für Selbstgestaltung: autopoiesis), womit ich ausdrücken wollte, wie sich Systeme als Produkte ihrer eigenen Operationen realisieren.

Erfahrung

Unter dem heiklen Begriff Erfahrung verstehe ich lediglich, was man gerade erlebt, also etwa zuhören, müde sein, sich langweilen oder neugierig sein.

Erkennen

Erkennen ist eine effektive Handlung, das heisst, operationale Effektivität im Existenzbereich des Lebewesens.

Erklärung

Eine Erklärung ist immer ein Satz, der Beobachtungen eines Phänomens in einem System von Konzepten neu formuliert oder neu schafft, welche für eine Gruppe von Personen, die ein Validitätskriterium teilen, annehmbar sind.

Erklärungen sind also von einem Zuhörer akzeptierte Aussagen über Erzeugungsmechanismen.

Erklärungen treffen Aussagen über Vorgänge oder Mechanismen, aus denen die zu erklärenden Erfahrungen resultieren könnten. Demnach bedeutet Erklären, Fragen nach dem ‚Warum?‘ mit Prozessen oder Abläufen zu beantworten, die am Werk sein müssten, um die betreffende Erfahrung zu ermöglichen.

Evolution

Ich habe die folgende Auffassung von der Evolution: Strukturdeterminierte Einheiten existieren nur so lange, wie sie sich in einem Bereich von Interaktionen befinden, die für sie lediglich Perturbationen sind. Die lebenden Systeme existieren als strukturdeterminierte Einheiten in einem Medium, mit dem sie sich in struktureller Übereinstimmung befinden. Sie werden zerfallen, sobald sie aufhören. Sich in diesem Übereinstimmungsverhältnis zu befinden.