Ein Pionier der Theoretischen Biologie
„Jede Umwelt bildet eine in sich geschlossene Einheit, die in all ihren Teilen durch die Bedeutung für das Subjekt beherrscht wird“
„Jedes Subjekt spinnt seine Beziehungen wie die Fäden einer Spinne zu bestimmten Eigenschaften der Dinge und verwebt sie zu einem Netz, das sein Dasein trägt“
Der eigenwillige, aus baltischem Adel stammende Philosoph und Biologe Jakob von Uexküll ist ohne Zweifel einer der fruchtbarsten Denker des 20. Jahrhunderts. Uexküll wurde am 8. September 1864 im estländischen Keblas (heute Mihkli) geboren. Uexküll studierte Zoologie an der Universität Tartu (damals Dorpat) in Estland von 1884 bis 1889. Danach arbeitete er am Institut für Physiologie der Universität Heidelberg in der Gruppe von Wilhelm Kühne (1837-1900), dem Herausgeber der führenden ZeitschriftZeitschrift für Biologie, der auch den Begriff Enzym geprägt hat. Weitere Arbeiten machte er an der Zoologischen Station in Neapel.
1907 wurde er mit einem Doktortitel der Universität Heidelberg für seine Arbeiten auf dem Gebiete der Muskelphysiologie geehrt. Eines seiner Ergebnisse dieser Jahre wurde bekannt als das Uexküll-Gesetz, die wohl erste Formulierung eine negativen Feedback-Beziehung in einem Organismus.
Spätere Arbeiten befasste er sich mit dem Problem der Wahrnehmung bei Organismen und wie sich diese auf ihr Verhalten auswirkt. In seinem Buch „Umwelt und Innenwelt der Tiere (1909)“ führte er den Begriff Umwelt ein um den Wahrnehmungsinhalt eines Organismus zu beschreiben. Uexküll entwickelte eine spezifische Methode der Umweltforschung (wie er sie nannte). 1925 wurde er Honorarprofessor an der Hamburger Universität, dort begründete er 1926 das „Institut für Umweltforschung“, dessen Leiter er bis 1940 war, und damit die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema Umwelt.
Zwischen 1927 und 1939 verbrachte Uexküll den Sommer mit seiner Familie auf der Puhtu-Halbinsel (Westküste von Estland) in einem Sommerhäuschen (seit 1949 ist dies die Biologische Station Puhtu des Zoologischen und Botanischen Instituts Tartu).
Uexkülls Forschung umfasste das Verhalten von Organismen und die Wechselwirkung auf Zell- und Organebene im Körper oder die Wechselwirkung zwischen Familien, Gruppen oder Gesellschaften. Hierzu gehören nicht nur die physische, sondern auch die psychische und intellektuelle Gestaltung der Aussenwelt. Er wird heute als einer der Begründer der Verhaltensphysiologie und Ethologie angesehen, als ein Vorläufer der Biokybernetik.
Uexküll schrieb eine der ersten Monografien über theoretische Biologie (Theoretische Biologie, 1920, 1928). Von besonderem Interesse für Uexküll war, dass Zeichen und Bedeutung von grösster Wichtigkeit für alle Lebensprozesse sind. Sein Konzept des Funktionskreises kann als ein allgemeines Modell für Zeichenprozesse (Semiosis) angesehen werden.
Uexküll betrachtete sich als Nachfolger von Johannes Müller und Karl Ernst von Baer.
Uexküll, der Grundlagen über die Muskelphysiologie wirbelloser Tiere erarbeitete, entdeckte an Schlangensternen das Gesetz von der dem gedehnten Muskel zufließenden Erregung. Seine Werke („Streifzüge durch die Umwelten von Tieren und Menschen“, 1934; „Niegeschaute Welten. Die Umwelten meiner Freunde“, 1936) verweisen auf ein organisches Grundverständnis: Demnach leben nicht nur Tiere in spezifischen, funktional dem Bauplan des Organismus zugeordneten Umwelten, sondern auch die Menschen. Seine Arbeitsgebiete, in denen er einen bemerkenswerten Beitrag geleistet hat, waren die vergleichende Physiologie der Wirbellosen, vergleichende Psychologie, Philosophie der Biologie. Auch wird er als Gründer der Biosemiotik angesehen (Bedeutungslehre, 1940).
Uexküll starb am 25. Juli 1944 auf Capri.
Ausgewählte Werke
- Umwelt und Innenwelt der Tiere (1909)
- Theoretische Biologie (1920, 1928)
- Streifzüge durch die Umwelten von Tieren und Menschen (1934)
- Niegeschaute Welten. Die Umwelten meiner Freunde (1936)
- Bedeutungslehre (1940)