Der Arzt, der die Medizin aus der spekulativen Romantik herausführte und den Anschluss an die Descartes-Nachfolge wiederherstellte, war vor allem Johannes Müller. 1801 geboren, hatte er sich noch unter dem Einfluss der Goethe’schen Naturphilosophie zum Studium der Medizin entschieden. Der junge Mediziner promovierte in Bonn und lernte dort den Physiologen Rudolphi kennen, einen Skeptiker, der sich sehr vorsichtig gegenüber aller Spekulation verhielt. 1833 wurde Müller Ordinarius für Anatomie, Physiologie und Pathologie in Berlin. Mit ihm kam der erste grosse Naturwissenschafter in die Stadt, die von da an eine Hochburg der Naturwissenschaft blieb.
Müllers romantische Abkunft verband sich aufs günstigste mit dem skeptischen Geist Rudolphis. Als 1833 der erste Band des Handbuches der Physiologie des jungen Ordinarius erschien, wurde das offenbar. Denn neben einer durchaus noch vorhandenen Beziehung zur Ganzheit weisen exakte Einzeluntersuchungen über die Mischung der Blutflüssigkeit, die Beschreibung von Knochen- und Knorpelgeschwulsten den Physiologen als einen Spezialisten von Rang aus. Einmal auf der rechten Bahn, kannte Müllers Arbeitseifer keine Grenzen: In der Physiologie und Zoologie schuf er Grundlagen, die heute noch gültig sind. Als er 1858 starb, hatte er die moderne Physiologie durchgesetzt. Nach ihm war es nicht mehr möglich, in der Medizin rein spekulativ zu arbeiten.