„Euer Excellenz beehre ich mich, zur Wiederbesetzung der durch den bevorstehenden Abgang des Geheimen Regierungsrates Doktor Finkelnburg im Gesundheits-Amte erledigten Stelle eines Ordentlichen Mitgliedes den schon zur Berufung als Außerordentliches Mitglied in Aussicht genommenen Kreisphysikus Doktor Robert Koch in Wollstein ganz gehorsamst in Vorschlag zu bringen“, so beginnt der Brief, den der Direktor des Kaiserlichen Gesundheitsamtes Struck am 9. März 1880 an den Staatssekretär im Innenministerium richtete.
„Bei der Wahl dieses Mannes habe ich vorzugsweise den Zweck vor Augen gehabt, für die genannte Stelle nicht allein einen praktisch erfahrenen, an strenge Arbeit gewöhnten und dienstlich geschulten Medicinalbeamten zu gewinnen, sondern auch die sich darbietende Gelegenheit zu benutzen, um dem bei der ersten Zusammensetzung des Gesundheits-Amtes nicht hinreichend gewürdigten Bedürfnisse eines durchaus auf der Höhe stehenden Fachmannes für experimentelle Pathologie und mikroskopische Technik Rechnung zu tragen. … Es kann daher als ein glücklicher Zufall betrachtet werden, daß Herr Koch einer der hervorragendsten Forscher auf diesem Gebiete, zugleich ein tüchtiger, strebsamer und erfahrener Medicinalbeamter ist und für die genannte Stelle leicht zu gewinnen sein würde“.
Als Robert Koch seine Stelle als Regierungsrat in Berlin antrat, war er 38 Jahre alt. Geboren im Dezember 1843 in Claustal hatte er in Göttingen Medizin studiert, hatte dort eine Assistentenstelle angetreten und im Jahre 1865 eine medizinische Preisaufgabe gewonnen. 1866 bestand er das Staatsexamen und war danach als Arzt in verschiedenen Praxen tätig. Nach dem Krieg 1870/71 und bestandenem Physikatsexamen wurde er Kreisphysikus in Wollstein im Kreis Posen.Dort begann seine Forschertätigkeit. Sein Lehrer Jakob Henle hatte schon in den 40er Jahren das Contagium animatum, den belebten Erreger der Infektionskrankheiten gefordert, aber bislang hatte ihn niemand nachweisen können. Diesen Nachweis sollte Robert Koch antreten.
In seiner Praxis trennte er durch einen Vorhang ein Laboratorium ab, in dem er Mikroskop, Mikrotom, Photoapparat, Färbeeinrichtungen und einen Brutkasten aufstellte.
Schon 1849 und 1863 waren im Blut an Milzbrand erkrankter Rinder stäbchenförmige Gebilde gefunden worden, doch hatte man sie nicht als den Erreger der Krankheit angesehen. Robert Koch stellte in den Organen von an Milzbrand gestorbenen Tieren die gleichen Stäbchen sicher, es gelang ihm, sie zu züchten, das Wachstum und die Sporenbildung zu beobachten. In mühsamen Experimenten gelang es ihm so, den Erreger einer Infektionskrankheit zum ersten Mal nachzuweisen. Im April 1876 fuhr er mit seinen Präparaten , seinen Photos und seinen Versuchstieren nach Breslau, um seine Ergebnisse dem Botaniker Ferdinand Cohn vorzuführen. Bei dieser Demonstration war auch der Pathologe Julius Cohnheim anwesend. Er soll seine Assistenten aus dem eigenen Institut mit den Worten „Lassen Sie alles stehen und liegen, und kommen Sie mit“, herbeigerufen haben und die prophetischen Worte, „ich glaube Herr Doktor Koch wird uns noch mit weiteren Entdeckungen überraschen und beschämen“ gesprochen haben. Kochs Arbeit über „Die Ätiologie der Milzbrandkrankheit“ erschien noch im selben Jahr in Cohns Beiträgen zur Biologie der Pflanzen. 1878 folgten die „Neuen Untersuchungen über die Mikroorganismen bei infektiösen Wundkrankheiten“ und die „Untersuchungen über die Ätiologie der Wundinfektionskrankheiten“. So war es kein Wunder, daß man im Kaiserlichen Gesundheitsamt auf ihn aufmerksam geworden war.
Koch setzte in Berlin fort, was er in Wollstein begonnen hatte, jetzt freilich unter ganz anderen Bedingungen. Denn nun standen ihm Mitarbeiter zur Seite, unter ihnen der Assistenzarzt Friedrich Löffler und der Stabsarzt Georg Gaffky, beide Zöglinge der Pépinière und ans Gesundheitsamt abkommandiert. Neben den Untersuchungen von pathogenen Organismen widmete sich Koch in diesen ersten Jahren vor allen Dingen der Frage der Desinfektion und Sterilisation.
Neben der Entwicklung der Anästhesiologie wurde für die Chirurgie vor allen Dingen die Entwicklung der Antiseptik und Aseptik von Bedeutung. Erste Anstöße zur Antiseptik aber kamen nicht aus der Chirurgie, sondern aus der Geburtshilfe. Es war das Verdienst von Ignaz Philipp Semmelweis, die Übertragung des Kindbettfiebers zu erkennen und zu verhindern, indem er die von ihm erkannte Infektionskette unterbrach. „Kindbettfieber wird durch Kadaverteile verursacht, die den Händen des Arztes anhaften, wenn er vor der Geburt stehende Frauen untersucht. Daher ist von äußerster Wichtigkeit, daß er seine Hände vor einer Visite gründlich säubert, wofür ich eine Chlorlösung empfehle“.
Die Durchsetzung der Antisepsis in der Chirurgie ist mit dem Namen Joseph Lister verbunden. Das Prinzip, das er in der Antisepsis sah, war das der Reinigung der Luft, der Hände der Operateure und der Instrumente von pathogenen Keimen, ehe diese an eine offene Wunde herankommen konnten. Lister entschloß sich dazu, zur Keimfreimachung nicht Hitze, nicht Filtrierung, sondern die Behandlung durch ein chemisches Antiseptikum zu wählen. Er benutzte dazu die auch andernorts zur Desinfektion schon benutzte Karbolsäure, die er in einem Sprayverfahren auf die Hände der Operateure, die Insrumente, die Operationswunde und die umgebende Luft richtete.
Obwohl dieses Verfahren nicht nur für den Operateur, sondern auch für den Patienten nicht ungefährlich war, wurde es schnell weltweit eingesetzt. Ärzte vom Kontinent und aus Amerika strömten nach England, um das Verfahren kennenzulernen und es in ihren Heimatländern anzuwenden. In Deutschland waren es der Leipziger Chirurg Karl Tiersch, der sich schon 1867 für die Antisepsis aussprach, und der junge Berliner Assistent James Israel, der zu Lister reiste, um die Antisepsis kennenzulernen, und sie nach Berlin mitbrachte, wo sie zunächst im Jüdischen Krankenhaus, dann auch im Universitätsklinikum an der Ziegelstraße Einzug hielt. Daneben war es der Hallenser Chirurg Richard von Volkmann, der bereits ab 1867 die antiseptische Wundbehandlung einführte. Es ist bemerkenswert, daß das antiseptische Prinzip zu einer Zeit zum Durchbruch kam, als die Bakteriologie gerade ihre ersten Schritte tat. Kaum einer der wichtigen Erreger war bis dahin bekannt geworden.
Erst als ab der Mitte der 70er Jahre immer mehr Keime entdeckt wurden, wurde es möglich, die Wirkung von bestimmten Mitteln auf diese Keime auch im Versuch zu erproben. Hier sind die Untersuchungen Robert Kochs am Kaiserlichen Gesundheitsamt wegweisend geworden. In seiner Publikation im ersten Band der Mitteilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt hat er die Schwierigkeiten und Probleme beschrieben, die sich einer exakten Versuchsanordnung in den Weg stellten. Neben anderen Stoffen hat Robert Koch auch die Wirkung der Karbolsäure untersucht und konnte nachweisen, daß sie in der üblichen 2%igen Verdünnung keinerlei Wirkung auf Milzbrandsporen hatte. Erst eine 4%ige und noch mehr eine 5%ige Karbollösung töteten die Sporen mit Sicherheit ab. Dabei war es aber notwendig, daß die Karbolsäure über längere Zeit auf die Sporen einwirkte, um dieses Ergebnis zu erzielen. Wenn die zu desinfizierenden Objekte nur übergossen, besprengt, gewaschen oder in sonst einer Weise angefeuchtet wurden, waren selbst nach zehnmaliger Anwendung nicht alle entwicklungsfähigen Keime vernichtet, und Koch mußte feststellen, daß eine auf diese Weise ausgeführte Desinfektion höchst unsicher sei. In weiteren Versuchen konnte er nachweisen, daß Karbolsäure in Öl oder Alkohol gelöst nicht die geringste desinfizierende Wirkung hatte. In ähnlicher Weise wie mit der Karbolsäure wurden weitere Versuche mit der schwefligen Säure und mit Chlorzink durchgeführt, das in den 70er Jahren als eines der wirksamsten Desinfektionsmittel empfohlen worden war.
Das Resultat all dieser Versuche war, daß keines der Desinfektionsmittel die bislang mit großem Vertrauen angewandt worden waren, den Anforderungen genügte, die nun die Bakteriologie an ein solches Mittel stellte. Koch wandte sich daraufhin anderen Verfahren zu, die zu einer zuverlässigen Desinfektion führen sollten. Er betonte, daß es nicht ausreichte, die Lebendformen der Bakterien zu vernichten, sondern daß es insbesondere darauf ankomme, die Sporen, die sehr viel widerstandsfähiger seien, unschädlich zu machen. In einzelnen, größeren Krankenhäusern war man zu dieser Zeit zur Hitzedesinfektion übergegangen. Zwei solcher Desinfektionsapparate standen im Städtischen Krankenhaus Moabit zur Verfügung, mit denen Koch nun experimentieren konnte. Die Apparate waren nach den Angaben des Verwaltungsdirektors des Krankenhauses konstruiert worden, es waren riesige, unförmige Gebilde. Bei den Desinfektionsversuchen, bei denen unterschiedliche Substanzen, die mit Bakterien und Dauersporen versehen waren, benutzt wurden, kam es zu überzeugenden Ergebnissen. Während die Bakterien durchweg abgetötet wurden, hatte die Hitze auf Sporen so gut wie keine Wirkung.
Quelle: http://www.ukrv.de/ch_koch.html