CHEMISCHE FARBEN
Wo nennen wir diejenigen, welche wir an gewissen Körpern erregen, mehr oder weniger fixieren, an ihnen steigern, von ihnen wieder wegnehmen und andern Körpern mitteilen können, denen wir denn auch deshalb eine gewisse immanente Eigenschaft zuschreiben. Die Dauer ist meist ihr Kennzeichen.
487. In diesen Rücksichten bezeichnete man früher die chemischen Farben mit verschiedenen Beiwörtern. Sie hießen colores proprii, corporei, materiales, veri, permanentes, fixi.
488. Wie sich das Bewegliche und Vorübergehende der physischen Farben nach und nach an den Körpern fixiere, haben wir in dem Vorhergehenden bemerkt und den Übergang eingeleitet.
489. Die Farbe fixiert sich an den Körpern mehr oder weniger dauerhaft, oberflächlich oder durchdringend.
490. Alle Körper sind der Farbe fähig, entweder daß sie an ihnen erregt, gesteigert, stufenweise fixiert oder wenigstens ihnen mitgeteilt werden kann.
XXXIV. Chemischer Gegensatz
491. Indem wir bei Darstellung der farbigen Erscheinung auf einen Gegensatz durchaus aufmerksam zu machen Ursache hatten, so finden wir, indem wir den Boden der Chemie betreten, die chemischen Gegensätze uns auf eine bedeutende Weise begegnend. Wir sprechen hier zu unsern Zwecken nur von demjenigen, den man unter dem allgemeinen Namen von Säure und Alkali zu begreifen pflegt.
491. Wenn wir den chromatischen Gegensatz nach Anleitung aller übrigen physischen Gegensätze durch ein Mehr oder Weniger bezeichnen, der gelben Seite das Mehr, der blauen das Weniger zuschreiben, so schließen sich diese beiden Seiten nun auch in chemischen Fällen an die Seiten des chemisch Entgegengesetzten an. Das Gelb und Gelbrote widmet sich den Säuren, das Blau und Blaurote den Alkalien, und so lassen sich die Erscheinungen der chemischen Farben, freilich mit noch manchen andern eintretenden Betrachtungen, auf eine ziemlich einfache Weise durchführen.
493. Da übrigens die Hauptphänomene der chemischen Farben bei Säuerungen der Metalle vorkommen, so sieht man, wie wichtig diese Betrachtung hier an der Spitze sei. Was übrigens noch weiter zu bedenken eintritt, werden wir unter einzelnen Rubriken näher bemerken, wobei wir jedoch ausdrücklich erklären, daß wir dem Chemiker nur im allgemeinsten vorzuarbeiten gedenken, ohne uns in irgendein Besondres, ohne uns in die zartern chemischen Aufgaben und Fragen mischen oder sie beantworten zu wollen. Unsre Absicht kann nur sein, eine Skizze zu geben, wie sich allenfalls nach unserer Überzeugung die chemische Farbenlehre an die allgemeine physische anschließen könnte.
XXXV. Ableitung des Weißen
494. Wir haben hiezu schon oben bei Gelegenheit der dioptrischen Farben der ersten Klasse (145 ff.) einige Schritte getan. Durchsichtige Körper stehen auf der höchsten Stufe unorganischer Materialität. Zunächst daran fügt sich die reine Trübe, und das Weiße kann als die vollendete reine Trübe angesehen werden.
495. Reines Wasser zu Schnee kristallisiert erscheint weiß, indem die Durchsichtigkeit der einzelnen Teile kein durchsichtiges Ganzes macht. Verschiedene Salzkristalle, denen das Kristallisationswasser entweicht, erscheinen als ein weißes Pulver. Man könnte den zufällig undurchsichtigen Zustand des rein Durchsichtigen Weiß nennen, so wie ein zermalmtes Glas als ein weißes Pulver erscheint. Man kann dabei die Aufhebung einer dynamischen Verbindung und die Darstellung der atomistischen Eigenschaft der Materie in Betracht ziehn.
496. Die bekannten unzerlegten Erden sind in ihrem reinen Zustand alle weiß. Sie gehn durch natürliche Kristallisation in Durchsichtigkeit über; Kieselerde in den Bergkristall, Tonerde in den Glimmer, Bittererde in den Talk, Kalkerde und Schwererde erscheinen in so mancherlei Späten durchsichtig.
497. Da uns bei Färbung mineralischer Körper die Metallkalke vorzüglich begegnen werden, so bemerken wir noch zum Schlusse, daß angehende gelinde Säurungen weiße Kalke darstellen, wie das Blei durch die Essigsäure in Bleiweiß verwandelt wird.
XXXVI. Ableitung des Schwarzen
498. Das Schwarze entspringt uns nicht so uranfänglich wie das Weiße. Wir treffen es im vegetabilischen Reiche bei Halbverbrennungen an, und die Kohle, der auch übrigens höchst merkwürdige Körper, zeigt uns die schwarze Farbe. Auch wenn Holz, zum Beispiel Bretter, durch Licht, Luft und Feuchtigkeit seines Brennlichen zum Teil beraubt wird, so erscheint erst die graue, dann die schwarze Farbe. Wie wir denn auch animalische Teile durch eine Halbverbrennung in Kohle verwandeln können.
499. Ebenso finden wir auch bei den Metallen, daß oft eine Halboxydation stattfindet, wenn die schwarze Farbe erregt werden soll. So werden durch schwache Säuerung mehrere Metalle, besonders das Eisen, schwarz, durch Essig, durch gelinde saure Gärungen, zum Beispiel eines Reisdekokts und so weiter.
500. Nicht weniger läßt sich vermuten, daß eine Ab- oder Rücksäuerung die schwarze Farbe hervorbringe. Dieser Fall ist bei der Entstehung der Tinte, da das in der starken Schwefelsäure aufgelöste Eisen gelblich wird, durch die Gallusinfusion aber zum Teil entsäuert nunmehr schwarz erscheint.
XXXVII. Erregung der Farbe
501. Als wir oben in der Abteilung von physischen Farben trübe Mittel behandelten, sahen wir die Farbe eher, als das Weiße und Schwarze. Nun setzen wir ein gewordnes Weißes, ein gewordnes Schwarzes fixiert voraus und fragen, wie sich an ihm die Farbe erregen lasse.
502. Auch hier können wir sagen, ein Weißes, das sich verdunkelt, das sich trübt, wird gelb; das Schwarze, das sich erhellt, wird blau.
503. Auf der aktiven Seite, unmittelbar am Lichte, am Hellen, am Weißen entsteht das Gelbe. Wie leicht vergilbt alles, was weiße Oberflächen hat, das Papier, die Leinwand, Baumwolle, Seide, Wachs; besonders auch durchsichtige Liquoren, welche zum Brennen geneigt sind, werden leicht gelb, das heißt mit andern Worten, sie gehen leicht in eine gelinde Trübung über.
504. So ist die Erregung auf der passiven Seite am Finstern, Dunkeln, Schwarzen sogleich mit der blauen, oder vielmehr mit einer rötlichblauen Erscheinung begleitet. Eisen in Schwefelsäure aufgelöst und sehr mit Wasser diluiert bringt in einem gegen das Licht gehaltnen Glase, sobald nur einige Tropfen Gallus dazu kommen, eine schöne violette Farbe hervor, welche die Eigenschaften des Rauchtopases, das Orphninon eines verbrannten Purpurs, wie sich die Alten ausdrücken, dem Auge darstellt.
505. Ob an den reinen Erden durch chemische Operationen der Natur und Kunst, ohne Beimischung von Metallkalken eine Farbe erregt werden könne, ist eine wichtige Frage, die gewöhnlich mit Nein beantwortet wird. Sie hängt vielleicht mit der Frage zusammen, inwiefern sich durch Oxydation den Erden etwas abgewinnen lasse.
506. Für die Verneinung der Frage spricht allerdings der Umstand, daß überall, wo man mineralische Farben findet, sich eine Spur von Metall, besonders von Eisen zeigt, wobei man freilich in Betracht zieht, wie leicht sich das Eisen oxydiere, wie leicht der Eisenkalk verschiedene Farben annehme, wie unendlich teilbar derselbe sei und wie geschwind er seine Farbe mitteile. Demungeachtet wäre zu wünschen, daß neue Versuche hierüber angestellt und die Zweifel entweder bestärkt oder beseitigt würden.
507. Wie dein auch sein mag, so ist die Rezeptivität der Erden gegen schon vorhandne Farben sehr groß, worunter sich die Alaunerde besonders auszeichnet.
508. Wenn wir nun zu den Metallen übergehen, welche sich im unorganischen Reiche beinahe privativ das Recht, farbig zu erscheinen, zugeeignet haben, so finden wir, daß sie sich in ihrem reinen, selbständigen, regulinischen Zustande schon dadurch von den reinen Erden unterscheiden, daß sie sich zu irgendeiner Farbe hinneigen.
509. Wenn das Silber sich dem reinen Weißen am meisten nähert, ja das reine Weiß, erhöht durch metallischen Glanz, wirklich darstellt, so ziehen Stahl, Zinn, Blei und so weiter ins bleiche Blaugraue hinüber, dagegen das Gold sich zum reinen Gelben erhöht, das Kupfer zum Roten hinanrückt, welches unter gewissen Umständen sich fast bis zum Purpur steigert, durch Zink hingegen wieder zur gelben Goldfarbe hinabgezogen wird.
510. Zeigen Metalle nun im gediegenen Zustande solche spezifische Determinationen zu diesem oder jenem Farbenausdruck, so werden sie durch die Wirkung der Oxydation gewissermaßen in eine gemeinsame Lage versetzt. Denn die Elementarfarben treten nun rein hervor, und obgleich dieses und jenes Metall zu dieser oder jener Farbe eine besondre Bestimmbarkeit zu haben scheint, so wissen wir doch von einigen, daß sie den ganzen Farbenkreis durchlaufen können, von andern, daß sie mehr als eine Farbe darzustellen fähig sind; wobei sich jedoch das Zinn durch seine Unfärblichkeit auszeichnet. Wir geben künftig eine Tabelle, inwiefern die verschiedenen Metalle mehr oder weniger durch die verschiedenen Farben durchgeführt werden
511. Daß die reine glatte Oberfläche eines gediegenen Metalles bei Erhitzung von einem Farbenhauch überzogen wird, welcher mit steigender Wärme eine Reihe von Erscheinungen durchläuft, deutet nach unserer Überzeugung auf die Fähigkeit der Metalle, den ganzen Farbenkreis zu durchlaufen. Am schönsten werden wir dieses Phänomen am polierten Stahl gewahr, aber Silber, Kupfer, Messing, Blei, Zinn lassen uns leicht ähnliche Erscheinungen sehen. Wahrscheinlich ist hier eine oberflächliche Säurung im Spiele, wie man aus der fortgesetzten Operation, besonders bei den leichter verkalklichen Metallen schließen kann.
512. Daß ein geglühtes Eisen leichter eine Säurung durch saure Liquoren erleidet, scheint auch dahin zu deuten, indem eine Wirkung der andern entgegenkommt. Noch bemerken wir, daß der Stahl, je nachdem er in verschiedenen Epochen seiner Farbenerscheinung gehärtet wird, einigen Unterschied der Elastizität zeigen soll, welches ganz naturgemäß ist, indem die verschiedenen Farbenerscheinungen die verschiedenen Grade der Hitze andeuten.
513. Geht man über diesen oberflächlichen Hauch, über dieses Häutchen hinweg, beobachtet man, wie Metalle in Massen penetrativ gesäuert werden, so erscheint mit dem ersten Grade Weiß oder Schwarz, wie man beim Bleiweiß, Eisen und Quecksilber bemerken kann.
514. Fragen wir nun weiter nach eigentlicher Erregung der Farbe, so finden wir sie auf der Plusseite am häufigsten. Das oft erwähnte Anlaufen glatter metallischer Flächen geht von dem Gelben aus. Das Eisen geht bald in den gelben Ocker, das Blei aus dem Bleiweiß in den Massicot, das Quecksilber aus dem Äthiops in den gelben Turbit hinüber. Die Auflösungen des Goldes und der Platina in Säuren sind gelb.
515. Die Erregungen auf der Minusseite sind seltner. Ein wenig gesäuertes Kupfer erscheint blau. Bei Bereitung des Berlinerblau sind Alkalien im Spiele.
516. Überhaupt aber sind diese Farbenerscheinungen von so beweglicher Art, daß die Chemiker selbst, sobald sie ins Feinere gehen, sie als trügliche Kennzeichen betrachten. Wir aber können zu unsern Zwecken diese Materie nur im Durchschnitt behandeln und wollen nur so viel bemerken, daß man vielleicht die metallischen Farbenerscheinungen, wenigstens zum didaktischen Behuf, einstweilen ordnen könne, wie sie durch Säurung, Aufsäurung, Absäurung und Entsäurung entstehen, sich auf mannigfaltige Weise zeigen und verschwinden.
XXXVIII. Steigerung
517. Die Steigerung erscheint uns als eine In-sich-selbst – Drängung, Sättigung, Beschattung der Farben. So haben wir schon oben bei farblosen Mitteln gesehen, daß wir durch Vermehrung der Trübe einen leuchtenden Gegenstand vom leisesten Gelb bis zum höchsten Rubinrot steigern können. Umgekehrt steigert sich das Blau in das schönste Violett, wenn wir eine erleuchtete Trübe vor der Finsternis verdünnen und vermindern (150, 151).
518. Ist die Farbe spezifiziert, so tritt ein Ähnliches hervor. Man lasse nämlich Stufengefäße aus weißem Porzellan machen und fülle das eine mit einer reinen gelben Feuchtigkeit, so wird diese von oben herunter bis auf den Boden stufenweise immer röter und zuletzt orange erscheinen. In das andre Gefäß gieße man eine blaue reine Solution, die obersten Stufen werden ein Himmelblau, der Grund des Gefäßes ein schönes Violett zeigen. Stellt man das Gefäß in die Sonne, so ist die Schattenseite der obern Stufen auch schon violett. Wirft man mit der Hand oder einem andern Gegenstande Schatten über den erleuchteten Teil des Gefäßes, so erscheint dieser Schatten gleichfalls rötlich.
519. Es ist dieses eine der wichtigsten Erscheinungen in der Farbenlehre, indem wir ganz greiflich erfahren, daß ein quantitatives Verhältnis einen qualitativen Eindruck auf unsre Sinne hervorbringe. Und indem wir schon früher, bei Gelegenheit der letzten epoptischen Farben (485), unsre Vermutungen eröffnet, wie man das Anlaufen des Stahls vielleicht aus der Lehre von trüben Mitteln herleiten könnte, so bringen wir dieses hier abermals ins Gedächtnis.
520. Übrigens folgt alle chemische Steigerung unmittelbar auf die Erregung. Sie geht unaufhaltsam und stetig fort, wobei man zu bemerken hat, daß die Steigerung auf der Plusseite die gewöhnlichste ist. Der gelbe Eisenocker steigert sich sowohl durchs Feuer als durch andre Operationen zu einer sehr hohen Röte. Massicot wird in Mennige, Turbit in Zinnober gesteigert, welcher letztere schon auf eine sehr hohe Stufe des Gelbroten gelangt. Eine innige Durchdringung des Metalls durch die Säure, eine Teilung desselben ins empirisch Unendliche geht hierbei vor.
521. Die Steigerung auf der Minusseite ist seltner, ob wir gleich bemerken, daß je reiner und gedrängter das Berlinerblau oder das Kobaltglas bereitet wird, es immer einen rötlichen Schein annimmt und mehr ins Violette spielt.
522. Für diese unmerkliche Steigerung des Gelben und Blauen ins Rote haben die Franzosen einen artigen Ausdruck, indem sie sagen, die Farbe habe einen Oeil de Rouge, welches wir durch einen rötlichen Blick ausdrücken könnten.
XXXIX. Kulmination
523. Sie erfolgt bei fortschreitender Steigerung. Das Rote, worin weder Gelb noch Blau zu entdecken ist, macht hier den Zenit.
524. Suchen wir ein auffallendes Beispiel einer Kulmination von der Plusseite her, so finden wir es abermals beim anlaufenden Stahl, welcher bis in den Purpurzenit gelangt und auf diesem Punkte festgehalten werden kann.
525. Sollen wir die vorhin (516) angegebene Terminologie hier anwenden, so würden wir sagen, die erste Säuerung bringe das Gelbe hervor, die Aufsäurung das Gelbrote; hier entstehe ein gewisses Summum, da denn eine Absäurung und endlich eine Entsäurung eintrete.
526. Hohe Punkte von Säuerung bringen eine Purpurfarbe hervor. Gold, aus seiner Auflösung durch Zinnauflösung gefällt, erscheint purpurfarben. Das Oxyd des Arseniks, mit Schwefel verbunden, bringt eine Rubinfarbe hervor.
527. Wiefern aber eine Art von Absäurung bei mancher Kulmination mitwirke, wäre zu untersuchen: denn eine Einwirkung der Alkalien auf das Gelbrote scheint auch die Kulmination hervorzubringen, indem die Farbe gegen das Minus zu in den Zenit genötigt wird.
528. Aus dem besten ungarischen Zinnober, welcher das höchste Gelbrot zeigt, bereiten die Holländer eine Farbe, die man Vermillon nennt. Es ist auch nur ein Zinnober, der sich aber der Purpurfarbe nähert, und es läßt sich vermuten, daß man durch Alkalien ihn der Kulmination näherzubringen sucht.
529. Vegetabilische Säfte sind, auf diese Weise behandelt, ein in die Augen fallendes Beispiel. Kurkuma, Orlean, Saflor und andre, deren färbendes Wesen man mit Weingeist ausgezogen und nun Tinkturen von gelber, gelb- und hyazinthroter Farbe vor sich hat, gehen durch Beimischung von Alkalien in den Zenit, ja drüber hinaus nach dem Blauroten zu.
530. Kein Fall einer Kulmination von der Minusseite ist mir im mineralischen und vegetabilischen Reiche bekannt. In dem animalischen ist der Saft der Purpurschnecke merkwürdig, von dessen Steigerung und Kulmination von der Minusseite her wir künftig sprechen werden.
XL. Balancieren
531. Die Beweglichkeit der Farbe ist so groß, daß selbst diejenigen Pigmente, welche man glaubt spezifiziert zu haben, sich wieder hin und her wenden lassen. Sie ist in der Nähe des Kulminationspunktes am merkwürdigsten und wird durch wechselsweise Anwendung der Säuren und Alkalien am auffallendsten bewirkt.
532. Die Franzosen bedienen sich, um diese Erscheinung bei der Färberei auszudrücken, des Wortes virer, welches von einer Seite nach der andern wenden heißt, und drücken dadurch auf eine sehr geschickte Weise dasjenige aus, was man sonst durch Mischungsverhältnisse zu bezeichnen und anzugeben versucht.
533. Hievon ist diejenige Operation, die wir mit dem Lackmus zu machen pflegen, eine der bekanntesten und auffallendsten. Lackmus ist ein Farbematerial, das durch Alkalien zum Rotblauen spezifiziert worden. Es wird dieses sehr leicht durch Säuren ins Rotgelbe hinüber und durch Alkalien wieder herüber gezogen. Inwiefern in diesem Fall durch zarte Versuche ein Kulminationspunkt zu entdecken und festzuhalten sei, wird denen, die in dieser Kunst geübt sind, überlassen, so wie die Färbekunst, besonders die Scharlachfärberei, von diesem Hin- und Herwenden mannigfaltige Beispiele zu liefern imstande ist.
XLI. Durchwandern des Kreises
534. Die Erregung und Steigerung kommt mehr auf der Plus- als auf der Minusseite vor. So geht auch die Farbe, bei Durchwanderung des ganzen Wegs, meist von der Plusseite aus.
535. Eine stetige in die Augen fallende Durchwanderung des Wegs, vom Gelben durchs Rote zum Blauen, zeigt sich beim Anlaufen des Stahls.
536. Die Metalle lassen sich durch verschiedene Stufen und Arten der Oxydation auf verschiedenen Punkten des Farbenkreises spezifizieren.
537. Da sie auch grün erscheinen, so ist die Frage, ob man eine stetige Durchwandrung aus dem Gelben durchs Grüne ins Blaue und umgekehrt in dein Mineralreiche kennt. Eisenkalk, mit Glas zusammengeschmolzen, bringt erst eine grüne, bei verstärktem Feuer eine blaue Farbe hervor.
538. Es ist wohl hier am Platz, von dem Grünen überhaupt zu sprechen. Es entsteht vor uns vorzüglich im atomistischen Sinne und zwar völlig rein, wenn wir Gelb und Blau zusammenbringen; allein auch schon ein unreines, beschmutztes Gelb bringt uns den Eindruck des Grünlichen hervor. Gelb mit Schwarz macht schon Grün; aber auch dieses leitet sich davon ab, daß Schwarz mit dem Blauen verwandt ist. Ein unvollkommenes Gelb, wie das Schwefelgelb, gibt uns den Eindruck von einem Grünlichen. Ebenso werden wir ein unvollkommenes Blau als grün gewahr. Das Grüne der Weinflaschen entsteht, so scheint es, durch eine unvollkommene Verbindung des Eisenkalks mit dem Glase. Bringt man durch größere Hitze eine vollkommenere Verbindung hervor, so entsteht ein schönes blaues Glas.
539. Aus allem diesem scheint so viel hervorzugehen, daß eine gewisse Kluft zwischen Gelb und Blau in der Natur sich findet, welche zwar durch Verschränkung und Vermischung atomistisch gehoben und zum Grünen verknüpft werden kann, daß aber eigentlich die wahre Vermittlung vom Gelben und Blauen nur durch das Rote geschieht.
540. Was jedoch dem Unorganischen nicht gemäß zu sein scheint, das werden wir, wenn von organischen Naturen die Rede ist, möglich finden, indem in diesem letzten Reiche eine solche Durchwandrung des Kreises vom Gelben durchs Grüne und Blaue bis zum Purpur wirklich vorkommt.
XLII Umkehrung
541. Auch eine unmittelbare Umkehrung in den geforderten Gegensatz zeigt sich als eine sehr merkwürdige Erscheinung, wovon wir gegenwärtig nur folgendes anzugeben wissen.
542. Das mineralische Chamäleon, welches eigentlich ein Braunsteinoxyd enthält, kann man in seinem ganz trocknen Zustande als ein grünes Pulver ansehen. Streut man es in Wasser, so zeigt sich in dem ersten Augenblick der Auflösung die grüne Farbe sehr schön, aber sie verwandelt sich sogleich in die dem Grünen entgegengesetzte Purpurfarbe, ohne daß irgendeine Zwischenstufe bemerklich wäre.
543. Derselbe Fall ist mit der sympathetischen Tinte, welche auch als ein rötlicher Liquor angesehen werden kann, dessen Austrocknung durch Wärme die grüne Farbe auf dem Papiere zeigt.
544. Eigentlich scheint hier der Konflikt zwischen Trockne und Feuchtigkeit dieses Phänomen hervorzubringen, wie, wenn wir uns nicht irren, auch schon von den Scheidekünstlern angegeben worden. Was sich weiter daraus ableiten, woran sich diese Phänomene anknüpfen lassen, darüber können wir von der Zeit hinlängliche Belehrung erwarten.
XLIII. Fixation
545. So beweglich wir bisher die Farbe selbst bei ihrer körperlichen Erscheinung gesehen haben, so fixiert sie sich doch zuletzt unter gewissen Umständen.
546. Es gibt Körper, welche fähig sind, ganz in Farbestoff verwandelt zu werden, und hier kann man sagen, die Farbe fixiere sich in sich selbst, beharre auf einer gewissen Stufe und spezifiziere sich. So entstehen Färbematerialien aus allen Reichen, deren besonders das vegetabilische eine große Menge darbietet, worunter doch einige sich besonders auszeichnen und als die Stellvertreter der andern angesehen werden können; wie auf der aktiven Seite der Krapp, auf der passiven der Indig.
547. Um diese Materialien bedeutend und zum Gebrauch vorteilhaft zu machen, gehört, daß die färbende Eigenschaft in ihnen innig zusammengedrängt und der färbende Stoff zu einer unendlichen empirischen Teilbarkeit erhoben werde, welches auf allerlei Weise und besonders bei den genannten durch Gärung und Fäulnis hervorgebracht wird.
548. Diese materiellen Farbenstoffe fixieren sich nun wieder an andern Körpern. So werfen sie sich im Mineralreich an Erden und Metallkalke, sie verbinden sich durch Schmelzung mit Gläsern und erhalten hier bei durchscheinendem Licht die höchste Schönheit, so wie man ihnen eine ewige Dauer zuschreiben kann.
549. Vegetabilische und animalische Körper ergreifen sie mit mehr oder weniger Gewalt und halten daran mehr oder weniger fest, teils ihrer Natur nach, wie denn Gelb vergänglicher ist als Blau, oder nach der Natur der Unterlagen. An vegetabilischen dauern sie weniger als an animalischen und selbst innerhalb dieser Reiche gibt es abermals Verschiedenheit. Flachs- oder baumwollnes Garn, Seide oder Wolle zeigen gar verschiedene Verhältnisse zu den Färbe-Stoffen.
551. Hier tritt nun die wichtige Lehre von den Beizen hervor, welche als Vermittler zwischen der Farbe und dem Körper angesehen werden können. Die Färbebücher sprechen hievon umständlich. Uns sei genug dahin gedeutet zu haben, daß durch diese Operationen die Farbe eine nur mit dem Körper zu verwüstende Dauer erhält, ja sogar durch den Gebrauch an Klarheit und Schönheit wachsen kann.
XLIV. Mischung, reale
551. Eine jede Mischung setzt eine Spezifikation voraus, und wir sind daher, wenn wir von Mischung reden, im atomistischen Felde. Man muß erst gewisse Körper auf irgendeinem Punkte des Farbenkreises spezifiziert vor sich sehen, ehe man durch Mischung derselben neue Schattierungen hervorbringen will.
552. Man nehme im allgemeinen Gelb, Blau und Rot als reine, als Grundfarben, fertig an. Rot und Blau wird Violett, Rot und Gelb Orange, Gelb und Blau Grün hervorbringen.
553. Man hat sich sehr bemüht, durch Zahl-, Maß- und Gewichtsverhältnisse diese Mischungen näher zu bestimmen, hat aber dadurch wenig Ersprießliches geleistet.
554. Die Malerei beruht eigentlich auf der Mischung solcher spezifizierten, ja individualisierten Farbenkörper und ihrer unendlichen möglichen Verbindungen, welche allein durch das zarteste, geübteste Auge empfunden und unter dessen Urteil bewirkt werden können.
555. Die innige Verbindung dieser Mischungen geschieht durch die reinste Teilung der Körper durch Reiben, Schlemmen und so weiter, nicht weniger durch Säfte, welche das Staubartige zusammenhalten und das Unorganische gleichsam organisch verbinden; dergleichen sind die Öle, Harze und so weiter.
556. Sämtliche Farben zusammengemischt behalten ihren allgemeinen Charakter als s cierohund da sie nicht mehr nebeneinander gesehen werden, wird keine Totalität, keine Harmonie empfunden, und so entsteht das Grau, das, wie die sichtbare Farbe, immer etwas dunkler als Weiß und immer etwas heller als Schwarz erscheint.
557. Dieses Grau kann auf verschiedene Weise hervorgebracht werden. Einmal, wenn man aus Gelb und Blau ein Smaragdgrün mischt und alsdann so viel reines Rot hinzubringt, bis sich alle drei gleichsam neutralisiert haben. Ferner entsteht gleichfalls ein Grau, wenn man eine Skala der ursprünglichen und abgeleiteten Farben in einer gewissen Proportion zusammenstellt und hernach vermischt.
558. Daß alle Farben zusammengemischt Weiß machen, ist eine Absurdität, die man nebst andern Absurditäten schon ein Jahrhundert gläubig und dem Augenschein entgegen zu wiederholen gewohnt ist.
559. Die zusammengemischten Farben tragen ihr Dunkles in die Mischung über. Je dunkler die Farben sind, desto dunkler wird das entstehende Grau, welches zuletzt sich dem Schwarzen nähert. Je heller die Farben sind, desto heller wird das Grau, welches zuletzt sich dem Weißen nähert.
XLV. Mischung, scheinbare
560. Die scheinbare Mischung wird hier um so mehr gleich mit abgehandelt, als sie in manchem Sinne von großer Bedeutung ist und man sogar die von uns als real angegebene Mischung für scheinbar halten könnte. Denn die Elemente, aus die zusammengesetzte Farbe entsprungen ist, sind zu klein, um einzeln gesehen zu werden. Gelbes und blaues Pulver zusammengerieben erscheint dem nackten Auge grün, wenn man durch ein Vergrößerungsglas noch Gelb und Blau voneinander abgesondert bemerken kann. So machen auch gelbe und blaue Streifen in der Entfernung eine grüne Fläche, welches alles auch von der Vermischung der übrigen spezifizierten Farben gilt.
561. Unter dem Apparat wird künftig auch das Schwung abgehandelt werden, auf welchem die scheinbare Mischung durch Schnelligkeit hervorgebracht wird. Auf einer Scheibe bringt man verschiedene Farben im Kreise nebeneinander an, dreht dieselben durch die Gewalt des Schwunges mit größter Schnelligkeit herum und kann so, wenn man mehrere Scheiben zubereitet alle möglichen Mischungen vor Augen stellen, sowie zuletzt auch die Mischung aller Farben zum Grau naturgemäß auf oben angezeigte Weise.
567. Physiologische Farben nehmen gleichfalls Mischung an. Wenn man zum Beispiel den blauen Schatten (65) auf einem leicht gelben Papiere hervorbringt, so erscheint derselbe grün. Ein Gleiches gilt von den übrigen Farben, wenn an die Vorrichtung darnach zu machen weiß.
563. Wenn man die im Auge verweilenden farbigen Scheinbilder (39ff.) auf farbige Flächen führt, so entsteht auch eine Mischung und Determination des Bildes zu einer andern Farbe, die sich aus beiden herschreibt.
564. Physische Farben stellen gleichfalls eine Mischung dar. Hierher gehören die Versuche, wenn man bunte Bilder durchs Prisma sieht, wie wir solches oben (258 – 284) umständlich angegeben haben.
565. Am meisten aber machten sich die Physiker mit jenen Erscheinungen zu tun, welche entstehen, wenn man die prismatischen Farben auf gefärbte Flächen wirft.
566. Das, was man dabei gewahr wird, ist sehr einfach. Erstlich muß man bedenken, daß die prismatischen Farben viel lebhafter sind, als die Farben der Fläche, worauf man sie fallen läßt. Zweitens kommt in Betracht, daß die prismatische Farbe entweder homogen mit der Fläche oder heterogen sein kann. Im ersten Fall erhöht und verherrlicht sie solche und wird dadurch verherrlicht, wie der farbige Stein durch eine gleichgefärbte Folie. Im entgegengesetzten Falle beschmutzt, stört und zerstört eine die andre.
567. Man kann diese Versuche durch farbige Gläser wiederholen und das Sonnenlicht durch dieselben auf farbige Flächen fallen lassen; und durchaus werden ähnliche Resultate erscheinen.
568. Ein Gleiches wird bewirkt, wenn der Beobachter durch farbige Gläser nach gefärbten Gegenständen hinsieht, deren Farben sodann nach Beschaffenheit erhöht, erniedrigt oder aufgehoben werden.
569. Läßt man die prismatischen Farben durch farbige Gläser durchgehen, so treten die Erscheinungen völlig analog hervor, wobei mehr oder weniger Energie, mehr oder weniger Helle und Dunkle, Klarheit und Reinheit des Glases in Betracht kommt und manchen zarten Unterschied, hervorbringt, wie jeder genaue Beobachter wird bemerken können, der diese Phänomene durchzuarbeiten Lust und Geduld hat.
570. So ist es auch wohl kaum nötig zu erwähnen, daß mehrere farbige Gläser übereinander, nicht weniger ölgetränkte, durchscheinende Papiere, alle und jede Arten von Mischung hervorbringen und dem Auge nach Belieben des Experimentierenden darstellen.
571. Schließlich gehören hieher die Lasuren der Maler, wodurch eine viel geistigere Mischung entsteht, als durch die mechanisch atomistische, deren sie sich gewöhnlich bedienen, hervorgebracht werden kann.
XLVI. Mitteilung, wirkliche
572. Wenn wir nunmehr auf gedachte Weise uns Farbematerialien verschafft haben, so entsteht ferner die Frage, wie wir solche farblosen Körpern mitteilen können, deren Beantwortung für das Leben, den Gebrauch, die Benutzung, die Technik von der größten Bedeutung ist.
573. Hier kommt abermals die dunkle Eigenschaft einer jeden Farbe zur Sprache. Von dem Gelben, das ganz nah am Weißen liegt, durchs Orange und Mennigfarbe zum Reinroten und Karmin, durch alle Abstufungen des Violetten bis in das satteste Blau, das ganz am Schwarzen liegt, nimmt die Farbe immer an Dunkelheit zu. Das Blaue, einmal spezifiziert, läßt sich verdünnen, erhellen, mit dem Gelben verbinden, wodurch es Grün wird und sich nach der Lichtseite hinzieht. Keineswegs geschieht dies aber seiner Natur nach.
574. Bei den physiologischen Farben haben wir schon gesehen, daß sie ein Minus sind als das Licht, indem sie beim Abklingen des Lichteindrucks entstehen, ja zuletzt diesen Eindruck ganz als ein Dunkles zurücklassen. Bei physischen Versuchen belehrt uns schon der Gebrauch trüber Mittel, die Wirkung trüber Nebenbilder, daß hier von einem gedämpften Lichte, von einem Übergang ins Dunkle die Rede sei.
575. Bei der chemischen Entstehung der Pigmente werden wir dasselbe bei der ersten Erregung gewahr. Der gelbe Hauch, der sich über den Stahl zieht, verdunkelt schon die glänzende Oberfläche. Bei der Verwandlung des Bleiweißes in Massicot ist es deutlich, daß das Gelbe dunkler als Weiß sei.
576. Diese Operation ist von der größten Zartheit und so auch die Steigerung, welche immer fortwächst, die Körper, welche bearbeitet werden, immer inniger und kräftiger färbt, und so auf die größte Feinheit der behandelten Teile, auf unendliche Teilbarkeit hinweist.
577. Mit den Farben, welche sich gegen das Dunkle hingeben, und folglich besonders mit dem Blauen können wir ganz an das Schwarze hinanrücken, wie uns denn ein echt vollkommnes Berlinerblau, ein durch Vitriolsäure behandelter Indig fast als Schwarz erscheint.
578. Hier ist nun der Ort, einer merkwürdigen Erscheinung zu gedenken, daß nämlich Pigmente in ihrem höchst gesättigten und gedrängten Zustande, besonders aus dem Pflanzenreiche, als erstgedachter Indig, oder auf seine höchste Stufe geführter Krapp, ihre Farbe nicht mehr zeigen; vielmehr erscheint auf ihrer Oberfläche ein entschiedener Metallglanz, in welchem die physiologisch geforderte Farbe spielt.
579. Schon jeder gute Indig zeigt eine Kupferfarbe auf dem Bruch, welches im Handel ein Kennzeichen ausmacht. Der durch Schwefelsäure bearbeitete aber, wenn man ihn dick aufstreicht oder eintrocknet, so daß weder das weiße Papier noch die Porzellanschale durchwirken kann, läßt eine Farbe sehen, die dem Orange nahkommt.
580. Die hochpurpurfarbne spanische Schminke, wahrscheinlich aus Krapp bereitet, zeigt auf der Oberfläche einen vollkommnen grünen Metallglanz. Streicht man beide Farben, die blaue und rote, mit einem Pinsel auf Porzellan oder Papier auseinander, so hat man sie wieder in ihrer Natur, indem das Helle der Unterlage durch sie hindurchscheint.
581. Farbige Liquoren erscheinen schwarz, wenn kein Licht durch sie hindurchfällt, wie man sich in parallele pipedischen Blechgefäßen mit Glasboden sehr leicht überzeugen kann. In einem solchen wird jede durchsichtige farbige Infusion, wenn man einen schwarzen Grund unterlegt, schwarz und farblos erscheinen.
582. Macht man die Vorrichtung, daß das Bild einer Flamme von der untern Fläche zurückstrahlen kann, so erscheint diese gefärbt. Hebt man das Gefäß in die Höhe und läßt das Licht auf druntergehaltenes weißes Papierfallen, so erscheint die Farbe auf diesem. jede helle Unterlage, durch ein solches gefärbtes Mittel gesehen, zeigt die Farbe desselben.
583. jede Farbe also, um gesehen zu werden, muß ein Licht im Hinterhalte haben. Daher kommt es, daß je heller und glänzender die Unterlagen sind, desto schöner erscheinen die Farben. Zieht man Lackfarben auf einen metallisch glänzenden weißen Grund, wie unsre sogenannten Folien verfertigt werden, so zeigt sich die Herrlichkeit der Farbe bei diesem zurückwirkenden Licht so sehr als bei irgendeinem prismatischen Versuche. ja die Energie der physischen Farben beruht hauptsächlich darauf, daß mit und hinter ihnen das Licht immerfort wirksam ist.
584. Lichtenberg, der zwar seiner Zeit und Lage nach der hergebrachten Vorstellung folgen mußte, war doch zu ein guter Beobachter und zu geistreich, als daß er das, was ihm vor Augen erschien, nicht hätte bemerken und nach seiner Weise erklären und zurecht legen sollen. Er sagt in der Vorrede zu Delaval: «Auch scheint es mir aus andern Gründen – wahrscheinlich, daß unser Organ, um eine Farbe zu empfinden, etwas von allem Licht (weißes) zugleich mitempfinden müsse. »
585. Sich weiße Unterlagen zu verschaffen, ist das Hauptgeschäft des Färbers. Farblosen Erden, besonders dem Alaun, kann jede spezifizierte Farbe leicht mitgeteilt werden. Besonders aber hat der Färber mit Produkten der animalischen und der Pflanzenorganisation zu schaffen.
586. Alles Lebendige strebt zur Farbe, zum Besondern, zur Spezifikation, zum Effekt, zur Undurchsichtigkeit bis ins Unendlichfeine. Alles Abgelebte zieht sich nach dem Weißen (494), zur Abstraktion, zur Allgemeinheit, zur Verklärung, zur Durchsichtigkeit.
587. Wie dieses durch Technik bewirkt werde, ist in dem Kapitel von Entziehung der Farbe anzudeuten. Hier bei der Mitteilung haben wir vorzüglich zu bedenken, daß Tiere und Vegetabilien im lebendigen Zustande Farbe an ihnen hervorbringen und solche daher, wenn sie ihnen völlig entzogen ist, um desto leichter wieder in sich aufnehmen.
XLVII. Mitteilung, scheinbare
588. Die Mitteilung trifft, wie man leicht sehen kann, mit der Mischung zusammen, sowohl die wahre als die scheinbare. Wir wiederholen deswegen nicht, was oben so viel als nötig ausgeführt worden.
589. Doch bemerken wir gegenwärtig umständlicher die Wichtigkeit einer scheinbaren Mitteilung, welche durch den Widerschein geschieht. Es ist dieses zwar sehr bekannte, doch immer ahndungsvolle Phänomen dem Physiker wie dem Maler von der größten Bedeutung.
590. Man nehme eine jede spezifizierte farbige Fläche, man stelle sie in die Sonne und lasse den Widerschein auf andre farblose Gegenstände fallen. Dieser Widerschein ist eine Art gemäßigten Lichts, ein Halblicht, ein Halbschatten, der außer seiner gedämpften Natur die spezifische Farbe der Fläche mit abspiegelt.
591. Wirkt dieser Widerschein auf lichte Flächen, so wird er aufgehoben, und man bemerkt die Farbe wenig, die er mit sich bringt. Wirkt er aber auf Schattenstellen, so zeigt sich eine gleichsam magische Verbindung mit dem s cierw. Der Schatten ist das eigentliche Element der Farbe, und hier tritt zu demselben eine schattige Farbe beleuchtend, färbend und belebend. Und so entsteht eine ebenso mächtige als angenehme Erscheinung, welche dem Maler, der sie zu benutzen weiß, die herrlichsten Dienste leistet. Hier sind die Vorbilder der sogenannten Reflexe, die in der Geschichte der Kunst erst später bemerkt werden und die man seltner als billig in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit anzuwenden gewußt hat.
592. Die Scholastiker nannten diese Farben colores notionales und intentionales; wie uns denn überhaupt die Geschichte zeigen wird, daß jene Schule die Phänomene schon gut genug beachtete, auch sie gehörig zu sondern wußte, wenn schon die ganze Behandlungsart solcher Gegenstände von der unsrigen sehr verschieden ist.
XLVIII Entziehung
593. Den Körpern werden auf mancherlei Weise die Farben entzogen, sie mögen dieselben von Natur besitzen, oder wir mögen ihnen solche mitgeteilt haben. Wir sind daher imstande, ihnen zu unserm Vorteil zweckmäßig die Farbe zu nehmen, aber sie entflieht auch oft zu unserm Nachteil gegen unsern Willen.
594. Nicht allein die Grunderden sind in ihrem natürlichen Zustande weiß, sondern auch vegetabilische und animalische Stoffe können, ohne daß ihr Gewebe zerstört wird, in einen weißen Zustand versetzt werden. Da uns nun zu mancherlei Gebrauch ein reinliches Weiß höchst nötig und angenehm ist, wie wir uns besonders gern der leinenen und baumwollenen Zeuge ungefärbt bedienen, auch seidene Zeuge, das Papier und anderes uns desto angenehmer sind, je weißer sie gefunden werden; weil auch ferner, wie wir oben gesehen, das Hauptfundament der ganzen Färberei weiße Unterlagen sind, so hat sich die Technik, teils zufällig, teils mit Nachdenken, auf das Entziehen der Farbe aus diesen Stoffen so emsig geworfen, daß man hierüber unzählige Versuche gemacht und gar manches Bedeutende entdeckt hat.
595. In dieser völligen Entziehung der Farbe liegt eigentlich die Beschäftigung der Bleichkunst, welche von mehreren empirischer oder methodischer abgehandelt worden. Wir geben die Hauptmomente hier nur kürzlich an.
596. Das Licht wird als eines der ersten Mittel, die Farbe den Körpern zu entziehen, angesehen, und zwar nicht allein das Sonnenlicht, sondern das bloße gewaltlose Tageslicht. Denn wie beide Lichter, sowohl das direkte von der Sonne als auch das abgeleitete Himmelslicht, die Bononischen Phosphoren entzünden, so wirken auch beide Lichter auf gefärbte Flächen. Es sei nun, daß das Licht die ihm verwandte Farbe ergreife, sie, die so viel Flammenartiges hat, gleichsam entzünde, verbrenne und das an ihr Spezifizierte wieder in ein Allgemeines auflöse, oder daß eine andre uns unbekannte Operation geschehe, genug, das Licht übt eine große Gewalt gegen farbige Flächen aus und bleicht sie mehr oder weniger. Doch zeigen auch hier die verschiedenen Farben eine verschiedene Zerstörlichkeit und Dauer, wie denn das Gelbe, besonders das aus gewissen Stoffen bereitete hier zuerst davonfliegt.
597. Aber nicht allein das Licht, sondern auch die Luft und besonders das Wasser wirken gewaltig auf die Entziehung der Farbe. Man will sogar bemerkt haben, daß wohl befeuchtete, bei Nacht auf dem Rasen ausgebreitete Garne besser bleichen als solche, welche, gleichfalls wohl befeuchtet, dem Sonnenlicht ausgesetzt werden. Und so mag sich denn freilich das Wasser auch hier als ein Auflösendes, Vermittlendes, das Zufällige Aufhebendes und das Besondre ins Allgemeine Zurückführendes beweisen.
598. Durch Reagenzien wird auch eine solche Entziehung bewirkt. Der Weingeist hat eine besondre Neigung, dasjenige, was die Pflanzen färbt, an sich zu ziehen und sich damit, oft auf eine sehr beständige Weise, zu färben. Die Schwefelsäure zeigt sich, besonders gegen Wolle und Seide, als farbentziehend sehr wirksam; und wem ist nicht der Gebrauch des Schwefeldampfes da bekannt, wo man etwas Vergilbtes oder Beflecktes weiß herzustellen gedenkt.
599. Die stärksten Säuren sind in der neuren Zeit als kürzere Bleichmittel angeraten worden.
600. Ebenso wirken im Gegensinne die alkalischen Reagenzien, die Laugen an sich, die zu Seife mit Lauge verbundenen Öle und Fettigkeiten und so weiter, wie dieses alles in den ausdrücklich zu diesem Zwecke verfaßten Schriften umständlich gefunden wird.
601. Übrigens möchte es wohl der Mühe wert sein, gewisse zarte Versuche zu machen, inwiefern Licht und Luft auf das Entziehen der Farbe ihre Tätigkeit äußern. Man könnte vielleicht unter luftleeren, mit gemeiner Luft oder besondern Luftarten gefüllten Glocken solche Farbstoffe dem Licht aussetzen, deren Flüchtigkeit man kennt, und beobachten, ob sich nicht an das Glas wieder etwas von der verflüchtigten Farbe ansetzte oder sonst ein Niederschlag sich zeigte; und ob alsdann dieses Wiedererscheinende dem Unsichtbargewordnen völlig gleich sei oder ob es eine Veränderung erlitten habe. Geschickte Experimentatoren ersinnen sich hierzu wohl mancherlei Vorrichtungen.
602. Wenn wir nun also zuerst die Naturwirkungen betrachtet haben, wie wir sie zu unsern Absichten anwenden, so ist noch einiges zu sagen von dem, wie sie feindlich gegen uns wirken.
603. Die Malerei ist in dem Falle, daß sie die schönsten Arbeiten des Geistes und der Mühe durch die Zeit auf mancherlei Weise zerstört sieht. Man hat daher sich immer viel Mühe gegeben, dauernde Pigmente zu finden und sie auf eine Weise unter sich sowie mit der Unterlage zu vereinigen, daß ihre Dauer dadurch noch mehr gesichert werde, wie uns hiervon die Technik der Malerschulen genugsam unterrichten kann.
604. Auch ist hier der Platz, einer Halbkunst zu gedenken, welcher wir in Absicht auf Färberei sehr vieles schuldig sind, ich meine die Tapetenwirkerei. Indem man nämlich in den Fall kam, die zartesten Schattierungen der Gemälde nachzuahmen und daher die verschiedenst gefärbten Stoffe oft nebeneinander zu bringen, so bemerkte man bald, daß die Farben nicht alle gleich dauerhaft waren, sondern die eine eher als die andre dem gewobenen Bilde entzogen wurde. Es entsprang daher das eifrigste Bestreben, den sämtlichen Farben und Schattierungen eine gleiche Dauer zu versichern, welches besonders in Frankreich unter Colbert geschah, dessen Verfügungen über diesen Punkt in der Geschichte der Färbekunst Epoche machen. Die sogenannte Schönfärberei, welche sich nur zu einer vergänglichen Anmut verpflichtete, ward eine besondre Gilde; mit desto größerm Ernst hingegen suchte man diejenige Technik, welche für die Dauer stehn sollte, zu begründen.
So wären wir, bei Betrachtung des Entziehens, der Flüchtigkeit und Vergänglichkeit glänzender Farbenerscheinungen, wieder auf die Forderung der Dauer zurückgekehrt und hätten auch in diesem Sinne unsern Kreis abermals abgeschlossen.
XLIX. Nomenklatur
605. Nach dem, was wir bisher von dem Entstehen, dein Fortschreiten und der Verwandtschaft der Farben ausgeführt, wird sich besser übersehen lassen, welche Nomenklatur künftig wünschenswert wäre, und was von der bisherigen zu halten sei.
606. Die Nomenklatur der Farben ging, wie alle Nomenklaturen, besonders aber diejenigen, welche sinnliche Gegenstände bezeichnen, vom Besondern aus ins Allgemeine und vom Allgemeinen wieder zurück ins Besondre. Der Name der Spezies ward ein Geschlechtsname, dem sich wieder das einzelne unterordnete.
607 Dieser Weg konnte bei der Beweglichkeit und Unbestimmtheit des frühern Sprachgebrauchs zurückgelegt werden, besonders da man in den ersten Zeiten sich auf ein lebhafteres sinnliches Anschauen verlassen durfte. Man bezeichnete die Eigenschaften der Gegenstände unbestimmt, weil sie. jedermann deutlich in der Imagination festhielt.
608. Der reine Farbenkreis war zwar enge, er schien aber an unzähligen Gegenständen spezifiziert und individualisiert und mit Nebenbestimmungen bedingt. Man sehe die Mannigfaltigkeit der griechischen und römischen Ausdrücke [S. i 8 8-zg i ], und man wird mit Vergnügen dabei gewahr werden, wie beweglich und läßlich die Worte beinahe durch den ganzen Farbenkreis herum gebraucht worden.
609. In späteren Zeiten trat durch die mannigfaltigen Operationen der Färbekunst manche neue Schattierung ein. Selbst die Modefarben und ihre Benennungen stellten ein unendliches Heer von Farbenindividualitäten dar. Auch die Farbenterminologie der neuern Sprachen werden wir gelegentlich aufführen; wobei sich denn zeigen wird, daß man immer auf genauere Bestimmungen ausgegangen, und ein Fixiertes, Spezifiziertes auch durch die Sprache festzuhalten und zu vereinzelnen gesucht hat.
610. Was die deutsche Terminologie betrifft, so hat sie den Vorteil, daß wir vier einsilbige, an ihren Ursprung nicht mehr erinnernde Namen besitzen, nämlich Gelb, Blau, Rot, Grün. Sie stellen nur das Allgemeinste der Farbe der Einbildungskraft dar, ohne auf etwas Spezifisches hinzudeuten.
611. Wollten wir in jeden Zwischenraum zwischen diesen vieren noch zwei Bestimmungen setzen, als Rotgelb und Gelbrot, Rotblau und Blaurot, Gelbgrün und Grüngelb, Blaugrün und Grünblau, so würden wir die Schattierungen des Farbenkreises bestimmt genug ausdrücken; und wenn wir die Bezeichnungen von Heil und Dunkel hinzufügen wollten, angleichen die Beschmutzungen einigermaßen andeuten, wozu uns die gleichfalls einsilbigen Worte Schwarz, Weiß, Grau und Braun zu Diensten stehn, so würden wir ziemlich auslangen und die vorkommenden Erscheinungen ausdrücken, ohne uns zu bekümmern, ob sie auf dynamischem oder atomistischem Wege entstanden sind.
6 i 2. Man könnte jedoch immer hiebei die spezifischen und individuellen Ausdrücke vorteilhaft benutzen, so wie wir uns auch des Worts Orange und Violett bedienten. Ingleichen haben wir das Wort Purpur gebraucht, um das reine in der Mitte stehende Rot zu bezeichnen, weil der Saft der Purpurschnecke, besonders wenn er feine Leinwand durchdrungen hat, vorzüglich durch das Sonnenlicht zu dem höchsten Punkte der Kulmination zu bringen ist.
L. Mineralien
613. Die Farben der Mineralien sind alle chemischer Natur, und so kann ihre Entstehungsweise aus dem, was wir von den chemischen Farben gesagt haben, ziemlich entwickelt werden.
614. Die Farbenbenennungen stehn unter den äußern Kennzeichen oben an, und man hat sich, im Sinne der neuern Zeit, große Mühe gegeben, jede vorkommende Erscheinung genau zu bestimmen und festzuhalten; man hat aber dadurch, wie uns dünkt, neue Schwierigkeiten erregt, welche beim Gebrauch manche Unbequemlichkeit veranlassen.
615. Freilich führt auch dieses, sobald man bedenkt, wie die Sache entstanden, seine Entschuldigung mit sich. Der Maler hatte von jeher das Vorrecht, die Farbe zu handhaben. Die wenigen spezifizierten Farben standen fest, und dennoch kamen durch künstliche Mischungen unzählige Schattierungen hervor, welche die Oberfläche der natürlichen Gegenstände nachahmten. War es daher ein Wunder, wenn man auch diesen Mischungsweg einschlug und den Künstler aufrief, gefärbte Musterflächen aufzustellen, nach denen man die natürlichen Gegenstände beurteilen und bezeichnen könnte? Man fragte nicht, wie geht die Natur zu Werke, um diese und jene Farbe auf ihrem innern lebendigen Wege hervorzubringen, sondern wie belebt der Maler das Tote, um ein dem Lebendigen ähnliches Scheinbild darzustellen. Man ging also immer von der Mischung aus und kehrte auf Mischung zurück, so daß man zuletzt das Gemischte wieder zu mischen vornahm, um einige sonderbare Spezifikationen und Individualisationen auszudrücken und zu unterscheiden.
616. Übrigens läßt sich bei der gedachten eingeführten mineralischen Farbenterminologie noch manches erinnern. Man hat nämlich die Benennungen nicht, wie es doch meistens möglich gewesen wäre, aus dem Mineralreich, sondern von allerlei sichtbaren Gegenständen genommen, da man doch mit größerem Vorteil auf eigenem Grund und Boden hätte bleiben können. Ferner hat man zu viel einzelne, spezifische Ausdrücke aufgenommen, und indem man durch Vermischung dieser Spezifikationen wieder neue Bestimmungen hervorzubringen suchte, nicht bedacht, daß man dadurch vor der Imagination das Bild und vor dem Verstand den Begriff völlig aufhebe. Zuletzt stehen denn auch diese gewissermaßen als Grundbestimmungen gebrauchten einzelnen Farbenbenennungen nicht in der besten Ordnung, wie sie etwa voneinander sich ableiten, daher denn der Schüler jede Bestimmung einzeln lernen und sich ein beinahe totes Positives einprägen muß. Die weitere Ausführung dieses Angedeuteten stünde hier nicht am rechten Orte.
Ll. Pflanzen
617. Man kann die Farben organischer Körper überhaupt als eine höhere chemische Operation ansehen, weswegen sie auch die Alten durch das Wort Kochung (p eyiz) ausgedrückt haben. Alle Elementarfarben sowohl als die gemischten und abgeleiteten kommen auf der Oberfläche organischer Naturen vor, dahingegen das Innere, man kann nicht sagen, unfärbig, doch eigentlich mißfärbig erscheint, wenn es zutage gebracht wird. Da wir bald an einem andern Orte von unsern Ansichten über organische Natur einiges mitzuteilen denken, so stehe nur dasjenige hier, was früher mit der Farbenlehre in Verbindung gebracht war, indessen wir zu jenen besondern Zwecken das Weitre vorbereiten. Von den Pflanzen sei also zuerst gesprochen.
618. Die Samen, Bulben, Wurzeln und was überhaupt vom Lichte ausgeschlossen ist oder unmittelbar von der Erde sich umgeben befindet, zeigt sich meistenteils weiß.
619. Die im Finstern aus Samen erzogenen Pflanzen sind weiß oder ins Gelbe ziehend. Das Licht hingegen, indem es auf ihre Farben wirkt, wirkt zugleich auf ihre Form.
620. Die Pflanzen, die im Finstern wachsen, setzen sich von Knoten zu Knoten zwar lange fort; aber die Stengel zwischen zwei Knoten sind länger als billig; keine Seitenzweige werden erzeugt und die Metamorphose der Pflanzen hat nicht statt.
621. Das Licht versetzt sie dagegen sogleich in einen tätigen Zustand, die Pflanze erscheint grün, und der Gang der Metamorphose bis zur Begattung geht unaufhaltsam fort.
622. Wir wissen, daß die Stengelblätter nur Vorbereitungen und Vorbedeutungen auf die Blumen- und Fruchtwerkzeuge sind; und so kann man in den Stengelblättern schon Farben sehen, die von weitem auf die Blume hindeuten, wie bei den Amaranten der Fall ist.
623. Es gibt weiße Blumen, deren Blätter sich zur größten Reinheit durchgearbeitet haben, aber auch farbige, in denen die schöne Elementarerscheinung hin und wieder spielt. Es gibt deren, die sich nur teilweise vom Grünen auf eine höhere Stufe losgearbeitet haben.
624. Blumen einerlei Geschlechts, ja einerlei Art, finden sich von allen Farben. Rosen und besonders Malven zum Beispiel gehen einen großen Teil des Farbenkreises durch, vom Weißen ins Gelbe, sodann durch das Rotgelbe in den Purpur, und von da in das Dunkelste, was der Purpur, indem er sich dem Blauen nähert, ergreifen kann.
625. Andere fangen schon auf einer höhern Stufe an, wie zum Beispiel die Mohne, welche von dem Gelbroten ausgehen und sich in das Violette hinüberziehen.
626. Doch sind auch Farben bei Arten, Gattungen, ja Familien und Rassen, wo nicht beständig, doch herrschend, besonders die gelbe Farbe – die blaue ist überhaupt seltner.
627. Bei den saftigen Hüllen der Frucht geht etwas Ähnliches vor, indem sie sich von der grünen Farbe durch das Gelbliche und Gelbe bis zu dem höchsten Rot erhöhen, wobei die Farbe der Schale die Stufen der Reife andeutet. Einige sind ringsum gefärbt, einige nur an der Sonnenseite, in welchem letzten Falle man die Steigerung des Gelben ins Rote durch größere An- und Übereinanderdrängung sehr wohl beobachten kann.
628. Auch sind mehrere Früchte innerlich gefärbt, besonders sind purpurrote Säfte gewöhnlich.
6ig. Wie die Farbe sowohl oberflächlich auf der Blume als durchdringend in der Frucht sich befindet, so verbreitet sie sich auch durch die übrigen Teile, indem sie die Wurzeln und die Säfte der Stengel färbt, und zwar mit sehr reicher und mächtiger Farbe.
630. So geht auch die Farbe des Holzes vom Gelben durch die verschiedenen Stufen des Roten bis ins Purpurfarbene und Braune hinüber. Blaue Hölzer sind mir nicht bekannt, und so zeigt sich schon auf dieser Stufe der Organisation die aktive Seite mächtig, wenn in dem allgemeinen Grün der Pflanzen beide Seiten sich balancieren mögen.
631. Wir haben oben gesehen, daß der aus der Erde dringende Keim sich mehrenteils weiß und gelblich zeigt, durch Einwirkung von Licht und Luft aber in die grüne Farbe übergeht. Ein Ähnliches geschieht bei jungen Blättern der Bäume, wie man zum Beispiel an den Birken sehen kann, deren junge Blätter gelblich sind und beim Auskochen einen schönen gelben Saft von sich geben. Nachher werden sie immer grüner, so wie die Blätter von andern Bäumen nach und nach in das Blaugrüne übergehen.
632. So scheint auch das Gelbe wesentlicher den Blättern anzugehören als der blaue Anteil. denn dieser verschwindet im Herbste, und das Gelbe des Blattes scheint in eine braune Farbe übergegangen. Noch merkwürdiger aber sind die besonderen Fälle, da die Blätter im Herbste wieder rein gelb werden und andre sich bis zu dem höchsten Rot hinaufsteigern.
633. Übrigens haben einige Pflanzen die Eigenschaft, durch künstliche Behandlung fast durchaus in ein Farbematerial verwandelt zu werden, das so fein, wirksam und unendlich teilbar ist als irgendein anderes. Beispiele sind der Indigo und Krapp, mit denen so viel geleistet wird. Auch werden Flechten zum Färben benutzt.
634. Diesem Phänomen steht ein anderes unmittelbar entgegen, daß man nämlich den färbenden Teil der Pflanzen ausziehen und gleichsam besonders darstellen kann, ohne daß ihre Organisation dadurch etwas zu leiden scheint. Die Farben der Blumen lassen sich durch Weingeist ausziehen und tingieren denselben; die Blumenblätter dagegen erscheinen weiß.
635. Es gibt verschiedene Bearbeitungen der Blumen und ihrer Säfte durch Reagenzien. Dieses hat Boyle in vielen Experimenten geleistet. Man bleicht die Rosen durch Schwefel und stellt sie durch andre Säuren wieder her. Durch Tobaksrauch werden die Rosen grün.
LII. Würmer, Insekten, Fische
636. Von den Tieren, welche auf den niedern Stufen der Organisation verweilen, sei hier vorläufig folgendes gesagt. Die Würmer, welche sich in der Erde aufhalten, der Finsternis und der kalten Feuchtigkeit gewidmet sind, zeigen sich mißfärbig; die Eingeweidewürmer von warmer Feuchtigkeit im Finstern ausgebrütet und genährt, unfärbig; zu Bestimmung der Farbe scheint ausdrücklich Licht zu gehören.
637. Diejenigen Geschöpfe, welche im Wasser wohnen, welches als ein obgleich sehr dichtes Mittel dennoch hinreichendes Licht hindurchläßt, erscheinen mehr oder weniger gefärbt. Die Zoophyten, welche die reinste Kalkerde zu beleben scheinen, sind meistenteils weiß; doch finden wir die Korallen bis zum schönsten Gelbrot hinaufgesteigert, welches in andern Wurmgehäusen sich bis nahe zum Purpur hinanhebt.
638. Die Gehäuse der Schaltiere sind schön gezeichnet und gefärbt; doch ist zu bemerken, daß weder die Landschnecken, noch die Schale der Muscheln des süßen Wassers mit so hohen Farben geziert sind als die des Meerwassers.
639. Bei Betrachtung der Muschelschalen, besonders der gewundenen, bemerken wir, daß zu ihrem Entstehen eine Versammlung unter sich ähnlicher tierischer Organe sich wachsend vorwärts bewegte, und indem sie sich um eine Achse drehten, das Gehäuse durch eine Folge von Riefen, Rändern, Pinnen und Erhöhungen, nach einem immer sich vergrößernden Maßstab, hervorbrachten. Wir bemerken aber auch zugleich, daß diesen Organen irgendein mannigfaltig färbender Saft beiwohnen mußte, der die Oberfläche des Gehäuses, wahrscheinlich durch unmittelbare Einwirkung des Meerwassers, mit farbigen Linien, Punkten, Flecken und Schattierungen epochenweis bezeichnete und so die Spuren seines steigenden Wachstums auf der Außenseite dauernd hinterließ, indes die innre meistens weiß oder nur blaßgefärbt angetroffen wird.
640. Daß in den Muscheln solche Säfte sich befinden, zeigt uns die Erfahrung auch außerdem genugsam, indem sie uns dieselben noch in ihrem flüssigen und färbenden Zustande darbietet, wovon der Saft des Tintenfisches ein Zeugnis gibt; ein weit stärkeres aber derjenige Purpursaft, welcher in mehreren Schnecken gefunden wird, der von altersher so berühmt ist und in der neuern Zeit auch wohl benutzt wird. Es gibt nämlich unter den Eingeweiden mancher Würmer, welche sich in Schalgehäusen aufhalten, ein gewisses Gefäß, das mit einem roten Safte gefüllt ist. Dieser enthält ein sehr stark und dauerhaft färbendes Wesen, so daß man die ganzen Tiere zerknirschen, kochen und aus dieser animalischen Brühe doch noch eine hinreichend färbende Feuchtigkeit herausnehmen konnte. Es läßt sich aber dieses farbgefüllte Gefäß auch von dem Tiere absondern, wodurch denn freilich ein konzentrierterer Saft gewonnen wird.
641. Dieser Saft hat das Eigene, daß er, dem Licht und der Luft ausgesetzt, erst gelblich, dann grünlich erscheint, dann ins Blaue, von da ins Violette übergeht, immer aber ein höheres Rot annimmt und zuletzt durch Einwirkung der Sonne, besonders wenn er auf Batist aufgetragen worden, eine reine hohe rote Farbe annimmt.
647. Wir hätten also hier eine Steigerung von der Minusseite bis zur Kulmination, die wir bei den unorganischen Fällen nicht leicht gewahr wurden; ja wir können diese Erscheinung beinahe ein Durchwandern des ganzen Kreises nennen, und wir sind überzeugt, daß durch gehörige Versuche wirklich die ganze Durchwanderung des Kreises bewirkt werden könne: denn es ist wohl kein Zweifel, daß sich durch wohl angewendete Säuren der Purpur vom Kulminationspunkte herüber nach dem Scharlach führen ließe.
643. Diese Feuchtigkeit scheint von der einen Seite mit der Begattung zusammenzuhängen, ja sogar finden sich Eier, die Anfänge künftiger Schaltiere, welche ein solches färbendes Wesen enthalten. Von der andern Seite scheint aber dieser Saft auf das bei höher stehenden Tieren sich entwickelnde Blut zu deuten. Denn das Blut läßt uns ähnliche Eigenschaften der Farbe sehen. In seinem verdünntesten Zustande erscheint es uns gelb, verdichtet, wie es in den Adern sich befindet, rot, und zwar zeigt das arterielle Blut ein höheres Rot, wahrscheinlich wegen der Säurung, die ihm beim Atemholen widerfährt; das venöse Blut geht mehr nach dem Violetten hin und zeigt durch diese Beweglichkeit auf jenes uns genugsam bekannte Steigern und Wandern.
644. Sprechen wir, ehe wir das Element des Wassers verlassen, noch einiges von den Fischen, deren schuppige Oberfläche zu gewissen Farben öfters teils im ganzen, teils streifig, teils fleckenweis spezifiziert ist, noch öfter ein gewisses Farbenspiel zeigt, das auf die Verwandtschaft der Schuppen mit den Gehäusen der Schaltiere, dem Perlemutter, ja selbst der Perle hinweist. Nicht zu übergehen ist hierbei, daß heißere Himmelsstriche, auch schon in das Wasser wirksam, die Farben der Fische hervorbringen, verschönern und erhöhen.
645. Auf Otahiti bemerkte Forster Fische, deren Oberflächen sehr schön spielten, besonders im Augenblick, da der Fisch starb. Man erinnre sich hierbei des Chamäleons und andrer ähnlichen Erscheinungen, welche dereinst zusammengestellt diese Wirkungen deutlicher erkennen lassen.
646. Noch zuletzt, obgleich außer der Reihe, ist wohl noch das Farbenspiel gewisser Mollusken zu erwähnen, sowie die Phosphoreszenz einiger Seegeschöpfe, welche sich auch in Farben spielend verlieren soll.
647. Wenden wir nunmehr unsre Betrachtung auf diejenigen Geschöpfe, welche dem Licht und der Luft und der trocknen Wärme angehören, so finden wir uns freilich erst recht im lebendigen Farbenreiche. Hier erscheinen uns an trefflich organisierten Teilen die Elementarfarben in ihrer größten Reinheit und Schönheit. Sie deuten uns aber doch> daß eben diese Geschöpfe noch auf einer niedern Stufe der Organisation stehen, eben weil diese Elementarfarben noch unverarbeitet bei ihnen hervortreten können. Auch hier scheint die Hitze viel zu Ausarbeitung dieser Erscheinung beizutragen.
648. Wir finden Insekten, welche als ganz konzentrierter Farbenstoff anzusehen sind, worunter besonders die Coccusarten berühmt sind; wobei wir zu bemerken nicht unterlassen, daß ihre Weise, sich an Vegetabilien anzusiedeln, ja in dieselben hineinzunisten, auch zugleich jene Auswüchse hervorbringt, welche als Beizen zu Befestigung der Farben so große Dienste leisten.
649. Am auffallendsten aber zeigt sich die Farbengewalt, verbunden mit regelmäßiger Organisation, an denjenigen Insekten, welche eine vollkommene Metamorphose zu ihrer Entwicklung bedürfen, an Käfern, vorzüglich aber an Schmetterlingen.
650. Diese Letztem, die man wahrhafte Ausgeburten des Lichtes und der Luft nennen könnte, zeigen schon in ihrem Raupenzustand oft die schönsten Farben, welche, spezifiziert wie sie sind, auf die künftigen Farben des Schmetterlings deuten; eine Betrachtung, die wenn sie künftig weiter verfolgt wird, gewiß in manches Geheimnis der Organisation eine erfreuliche Einsicht gewähren muß.
651. Wenn wir übrigens die Flügel des Schmetterlings näher betrachten und in seinem netzartigen Gewebe die Spuren eines Armes entdecken, und ferner die Art, wie dieser gleichsam verfluchte Arm durch zarte Federn bedeckt und zum Organ des Fliegens bestimmt worden, so glauben wir ein Gesetz gewahr zu werden, wonach sich die große Mannigfaltigkeit der Färbung richtet, welches künftig näher zu entwickeln sein wird.
652. Daß auch überhaupt die Hitze auf Größe des Geschöpfes, auf Ausbildung der Form, auf mehrere
Herrlichkeit der Farben Einfluß habe, bedarf wohl kaum erinnert zu werden.
LIII. Vögel
653. Je weiter wir nun uns gegen die höhern Organisationen bewegen, desto mehr haben wir Ursache, flüchtig und vorübergehend, nur einiges hinzustreuen. Denn alles, was solchen organischen Wesen natürlich begegnet, ist eine Wirkung von so vielen Prämissen, daß, ohne dieselben wenigstens angedeutet zu haben, nur etwas Unzulängliches und Gewagtes ausgesprochen wird.
654. Wie wir bei den Pflanzen finden, daß ihr Höheres, die ausgebildeten Blüten und Früchte auf dem Stamme gleichsam gewurzelt sind und sich von vollkommneren Säften nähren, als ihnen die Wurzel zuerst zugebracht hat; wie wir bemerken, daß die Schmarotzerpflanzen, die das Organische als ihr Element behandeln, an Kräften und Eigenschaften sich ganz vorzüglich beweisen, so können wir auch die Federn der Vögel in einem gewissen Sinne mit den Pflanzen vergleichen. Die Federn entspringen als ein Letztes aus der Oberfläche eines Körpers, der noch viel nach außen herzugeben hat, und sind deswegen sehr reich ausgestattete Organe.
655. Die Kiele erwachsen nicht allein verhältnismäßig zu einer ansehnlichen Größe, sondern sie sind durchaus geästet, wodurch sie eigentlich zu Federn werden, und manche dieser Ausästungen, Befiederungen sind wieder subdividiert wodurch sie abermals an die Pflanzen erinnern.
656. Die Federn sind sehr verschieden an Form und Größe, aber sie bleiben immer dasselbe Organ, das sich nur nach Beschaffenheit des Körperteiles, aus welchem es entspringt, bildet und umbildet.
657. Mit der Form verwandelt sich auch die Farbe, und ein gewisses Gesetz leitet sowohl die allgemeine Färbung als auch die besondre, wie wir sie nennen möchten, diejenige nämlich, wodurch die einzelne Feder scheckig wird. Dieses ist es, woraus alle Zeichnung des bunten Gefieders entspringt und woraus zuletzt das Pfauenauge hervorgeht. Es ist ein Ähnliches mit jenem, das wir bei Gelegenheit der Metamorphose der Pflanzen früher entwickelt und welches darzulegen wir die nächste Gelegenheit ergreifen werden.
658. Nötigen uns hier Zeit und Umstände über dieses organische Gesetz hinauszugehen, so ist doch hier unsre Pflicht, der chemischen Wirkungen zu gedenken, welche sich bei Färbung der Federn auf eine uns nun schon hinlänglich bekannte Weise zu äußern pflegen.
659. Das Gefieder ist allfarbig, doch im ganzen das gelbe, das sich zum Roten steigert, häufiger als das blaue.
660. Die Einwirkung des Lichts auf die Federn und ihre Farben ist durchaus bemerklich. So ist zum Beispiel auf der Brust gewisser Papageien die Feder eigentlich gelb. Der schuppenartig hervortretende Teil, den das Licht bescheint, ist aus dem Gelben ins Rote gesteigert. So sieht die Brust eines solchen Tiers hochrot aus; wenn man aber in die Federn bläst, erscheint das Gelbe.
661. So ist durchaus der unbedeckte Teil der Federn von dem im ruhigen Zustand bedeckten höchlich unterschieden, so daß sogar nur der unbedeckte Teil, zum Beispiel bei Raben, bunte Farben spielt, der bedeckte aber nicht, nach welcher Anleitung man die Schwanzfedern, wenn sie durcheinander geworfen sind, sogleich wieder zurechtlegen kann.
LIV. Säugetiere und Menschen
662. Hier fangen die Elementarfarben an, uns ganz zu verlassen. Wir sind auf der höchsten Stufe, auf der wir nur flüchtig verweilen.
663. Das Säugetier steht überhaupt entschieden auf der Lebensseite. Alles, was sich an ihm äußert, ist lebendig. Von dem Innern sprechen wir nicht, also hier nur einiges von der Oberfläche. Die Haare unterscheiden sich schon dadurch von den Federn, daß sie der Haut mehr angehören, daß sie einfach, fadenartig, nicht geästet sind. An den verschiedenen Teilen des Körpers sind sie aber auch, nach Art der Federn kürzer, länger, zarter und stärker, farblos oder gefärbt, und dies alles nach Gesetzen, welche sich aussprechen lassen.
664. Weiß und Schwarz, Gelb, Gelbrot und Braun wechseln auf mannigfaltige Weise, doch erscheinen sie niemals auf eine solche Art, daß sie uns an die Elementarfarben erinnerten. Sie sind alle vielmehr gemischte, durch organische Kochung bezwungene Farben und bezeichnen mehr oder weniger die Stufenhöhe des Wesens, dem sie angehören.
665. Eine von den wichtigsten Betrachtungen der Morphologie, insofern sie Oberflächen beobachtet, ist diese, daß auch bei den vierfüßigen Tieren die Flecken der Haut auf die innern Teile, über welche sie gezogen ist, einen Bezug haben. So willkürlich übrigens die Natur dem flüchtigen Anblick hier zu wirken scheint, so konsequent wird dennoch ein tiefes Gesetz beobachtet, dessen Entwicklung und Anwendung freilich nur einer genauen Sorgfalt und treuen Teilnehmung vorbehalten ist.
666. Wenn bei Affen gewisse nackte Teile bunt mit Elementarfarben, erscheinen, so zeigt dies die weite Entfernung eines solchen Geschöpfs von der Vollkommenheit an, denn man kann sagen, je edler ein Geschöpf ist, je mehr ist alles Stoffartige in ihm verarbeitet; je wesentlicher seine Oberfläche mit dem Innern zusammenhängt, desto weniger können auf derselben Elementarfarben erscheinen. Denn da, wo alles ein vollkommenes Ganzes zusammen ausmachen soll, kann sich nicht hier und da etwas Spezifisches absondern.
667. Von dem Menschen haben wir wenig zu sagen, denn er trennt sich ganz von der allgemeinen Naturlehre los, in der wir jetzt eigentlich wandeln. Auf des Menschen Inneres ist so viel verwandt, daß seine Oberfläche nur sparsamer begabt werden konnte.
668. Wenn man nimmt, daß schon unter der Haut die Tiere mit Interkutanmuskeln mehr belastet als begünstigt sind; wenn man sieht, daß gar manches Überflüssige nach außen strebt, wie zum Beispiel die großen Ohren und Schwänze, nicht weniger die Haare, Mähnen, Zotten -. so sieht man wohl, daß die Natur vieles abzugeben und zu verschwenden hatte.
669. Dagegen ist die Oberfläche des Menschen glatt und rein und läßt, bei den vollkommensten, außer wenigen mit Haar mehr gezierten als bedeckten Stellen, die schöne Form sehen. denn im Vorbeigehen sei es gesagt, ein Überfluß der Haare an Brust, Armen, Schenkeln deutet eher auf Schwäche als auf Stärke, wie denn wahrscheinlich nur die Poeten, durch den Anlaß einer übrigens starken Tiernatur verführt, mitunter solche haarige Helden zu Ehren gebracht haben.
670. Doch haben wir hauptsächlich an diesem Ort von der Farbe zu reden. Und so ist die Farbe der menschlichen Haut, in allen ihren Abweichungen, durchaus keine Elementarfarbe, sondern eine durch organische Kochung höchst bearbeitete Erscheinung.
671. Daß die Farbe der Haut und Haare auf einen Unterschied der Charaktere deute, ist wohl keine Frage, wie wir ja schon einen bedeutenden Unterschied an blonden und braunen Menschen gewahr werden; wodurch wir auf die Vermutung geleitet worden, daß ein oder das andre organische System vorwaltend eine solche Verschiedenheit hervorbringe. Ein Gleiches läßt sich wohl auf Nationen anwenden, wobei vielleicht zu bemerken wäre, daß auch gewisse Farben mit gewissen Bildungen zusammentreffen, worauf wir schon durch die Mohrenphysiognomien aufmerksam geworden.
672. Übrigens wäre wohl hier der Ort, der Zweiflerfrage zu begegnen, ob denn nicht alle Menschenbildung und Farbe gleich schön und nur durch Gewohnheit und Eigendünkel eine der andern vorgezogen werde. Wir getrauen uns aber in Gefolg alles dessen, was bisher vorgekommen, zu behaupten, daß der weiße Mensch, das heißt derjenige, dessen Oberfläche vom Weißen ins Gelbliche, Bräunliche, Rötliche spielt, kurz, dessen Oberfläche am gleichgültigsten erscheint, am wenigsten sich zu irgend etwas Besondrem hinneigt, der schönste sei. Und so wird auch wohl künftig, wenn von der Form die Rede sein wird, ein solcher Gipfel menschlicher Gestalt sich vor das Anschauen bringen lassen; nicht als ob diese alte Streitfrage hierdurch für immer entschieden sein sollte: denn es gibt Menschen genug, welche Ursache haben, diese Deutsamkeit des Äußern in Zweifel zu setzen; sondern daß dasjenige ausgesprochen werde, was aus einer Folge von Beobachtung und Urteil einem Sicherheit und Beruhigung suchenden Gemüte hervorspringt. Und so fügen wir zum Schluß noch einige auf die elementarchemische Farbenlehre sich beziehende Betrachtungen bei.
LV. Physische und chemische Wirkungen farbiger Beleuchtung
673. Die physischen und chemischen Wirkungen farbloser Beleuchtung sind bekannt, so daß es hier unnötig sein dürfte, sie weitläuftig auseinander zu setzen. Das farblose Licht zeigt sich unter verschiedenen Bedingungen, als Wärme erregend, als ein Leuchten gewissen Körpern mitteilend, als auf Säurung und Entsäurung wirkend. In der Art und Stärke dieser Wirkungen findet sich wohl mancher Unterschied, aber keine solche Differenz, die auf einen Gegensatz hinwiese, wie solche bei farbigen Beleuchtungen erscheint, wovon wir nunmehr kürzlich Rechenschaft zu geben gedenken.
674. Von der Wirkung farbiger Beleuchtung als wärmeerregend wissen wir folgendes zu sagen: An einem sensiblen sogenannten Luftthermometer beobachte man die Temperatur des dunklen Zimmers. Bringt man die Kugel darauf in das direkt, hereinscheinende Sonnenlicht, so ist nichts natürlicher, als daß die Flüssigkeit einen viel höhern Grad der Wärme anzeige. Schiebt man alsdann farbige Gläser vor, so folgt auch ganz natürlich, daß sich der Wärmegrad vermindre, erstlich weil die Wirkung des direkten Lichts schon durch das Glas etwas gehindert ist, sodann aber vorzüglich, weil ein farbiges Glas, als ein Dunkles, ein wenigeres Licht hindurchläßt.
675. Hiebei zeigt sich aber dem aufmerksamen Beobachter ein Unterschied der Wärmeerregung, je nachdem diese oder jene Farbe dem Glase eigen ist. Das gelbe und gelbrote Glas bringt eine höhere Temperatur, als das blaue und blaurote hervor, und zwar ist der Unterschied von Bedeutung.
676. Will man diesen Versuch mit dem sogenannten prismatischen Spektrum anstellen, so bemerke man am Thermometer erst die Temperatur des Zimmers, lasse alsdann das blaufärbige Licht auf die Kugel fallen, so wird ein etwas höherer Wärmegrad angezeigt, welcher immer wächst, wenn man die übrigen Farben nach und nach auf die Kugel bringt. In der gelbroten ist die Temperatur am stärksten, noch stärker aber unter dem Gelbroten.
Macht man die Vorrichtung mit dem Wasserprisma, so daß man das weiße Licht in der Mitte vollkommen haben kann, so ist dieses zwar gebrochne, aber noch nicht gefärbte Licht das wärmste; die übrigen Farben verhalten sich hingegen wie vorher gesagt.
677. Da es hier nur um Andeutung, nicht aber um Ableitung und Erklärung dieser Phänomene zu tun ist, so bemerken wir nur im Vorbeigehen, daß sich am Spektrum unter dem Roten keinesweges das Licht vollkommen abschneidet, sondern daß immer noch ein gebrochnes, von seinem Wege abgelenktes, sich hinter dem prismatischen Farbenbilde gleichsam herschleichendes Licht zu bemerken ist, so daß man bei näherer Betrachtung wohl kaum nötig haben wird, zu unsichtbaren Strahlen und deren Brechung seine Zuflucht zu nehmen.
678. Die Mitteilung des Lichtes durch farbige Beleuchtung zeigt dieselbige Differenz. Den Bononischen Phosphoren teilt sich das Licht mit durch blaue und violette Gläser, keinesweges aber durch gelbe und gelbrote; ja man will sogar bemerkt haben, daß die Phosphoren, welchen man durch violette und blaue Gläser den Glühschein mitgeteilt, wenn man solche nachher unter die gelben und gelbroten Scheiben gebracht, früher verlöschen als die, welche man im dunklen Zimmer ruhig liegen läßt.
679. Man kann diese Versuche wie die vorhergehenden auch durch das prismatische Spektrum machen, und es zeigen sich immer dieselben Resultate.
68o. Von der Wirkung farbiger Beleuchtung auf Säurung und Entsäurung kann man sich folgendermaßen unterrichten. Man streiche feuchtes, ganz weißes Hornsilber auf einen Papierstreifen; man lege ihn ins Licht, daß er einigermaßen grau werde, und schneide ihn alsdenn in drei Stücke. Das eine lege man in ein Buch, als bleibendes Muster, das andre unter ein gelbrotes, das dritte unter ein blaurotes Glas. Dieses letzte Stück wird immer dunkelgrauer werden und eine Entsäurung anzeigen. Das unter dem gelbroten befindliche wird immer heller grau, tritt also dem ersten Zustand vollkommneter Säurung wieder näher. Von beiden kann man sich durch Vergleichung mit dem Musterstücke überzeugen.
681. Man hat auch eine schöne Vorrichtung gemacht, diese Versuche mit dem prismatischen Bilde anzustellen. Die Resultate sind denen bisher erwähnten gemäß, und wir werden das Nähere davon späterhin vortragen und dabei die Arbeiten eines genauen Beobachters benutzen, der sich bisher mit diesen Versuchen sorgfältig beschäftigte.
LVI. Chemische Wirkung bei der dioptrischen Achromasie
682. Zuerst ersuchen wir unsre Leser, dasjenige wieder nachzusehen, was wir oben (2.85-298) über diese Materie vorgetragen, damit es hier keiner weitern Wiederholung bedürfe.
683. Man kann also einem Glase die Eigenschaft geben, daß es, ohne viel stärker zu refrangieren als vorher, das heißt ohne das Bild um ein sehr merkliches weiter zu verrücken, dennoch viel breitere Farbensäume hervorbringt.
684. Diese Eigenschaft wird dem Glase durch Metallkalke mitgeteilt. Daher Mennige, mit einem reinen Glase innig zusammengeschmolzen und vereinigt, diese Wirkung hervorbringt. Flintglas (291) ist ein solches mit Bleikalk bereitetes Glas. Auf diesem Wege ist man weiter gegangen und hat die sogenannte Spießglanzbutter, die sich nach einer neuern Bereitung als reine Flüssigkeit darstellen läßt, in linsenförmigen und prismatischen Gefäßen benutzt und hat eine sehr starke Farbenerscheinung bei mäßiger Refraktion hervorgebracht und die von uns sogenannte Hyperchromasie sehr lebhaft dargestellt.
685. Bedenkt man nun, daß das gemeine Glas, wenigstens überwiegend alkalischer Natur sei, indem es vorzüglich aus Sand und Laugensalzen zusammengeschmolzen wird, so möchte wohl eine Reihe von Versuchen belehrend sein, welche das Verhältnis völlig alkalischer Liquoren zu völligen Säuren auseinandersetzten.
686. Wäre nun das Maximum und Minimum gefunden, so wäre die Frage, ob nicht irgendein brechend Mittel zu erdenken sei, in welchem die von der Refraktion beinah unabhängig auf- und absteigende Farbenerscheinung bei Verrückung des Bildes völlig Null werden könnte.
687. Wie sehr, wünschenswert wäre es daher für diesen letzten Punkt sowohl als für unsre ganze dritte Abteilung, ja für die Farbenlehre überhaupt, daß die mit Bearbeitung der Chemie unter immer fortschreitenden neuen Ansichten beschäftigten Männer auch hier eingreifen und das, was wir beinahe nur mit rohen Zügen angedeutet, in das Feinere verfolgen und in einem allgemeinen, der ganzen Wissenschaft zusagenden Sinne bearbeiten möchten.